Arbeitsrecht
November 2018 Kündigung nach Arbeitsverweigerung
veröffentlicht am 01.11.2018
Mit einem viel beachteten Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht am 18.10.2017 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und festgestellt, dass Arbeitnehmer "lediglich" unbillige Weisungen nicht beachten müssen. Eine auch bloß vorläufige Bindung an derartig unbillige und damit unrechtmäßige Weisungen bestehe nicht. Damit ist die Risikoverteilung in Bezug auf Weisungen, deren Billigkeit nicht klar ist, neu sortiert worden. Dass gleichwohl ganz erhebliche Risiken für Arbeitnehmer verbleiben, die sich weigern, arbeitsvertragliche Pflichten zu erfüllen, wenn sie fehlerhaft annehmen, dazu nicht verpflichtet zu sein, zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.6.2018 (Az. 2 AZR 436/17).
Der Arbeitgeber, eine Behörde, hatte die gelernte Architektin im Februar 2006 eingestellt. Wegen Konflikten zwischen den Mitarbeitern musste bereits im Jahr 2017 eine Mediation durchgeführt werden, die erfolglos blieb. Im Frühjahr 2014 eskalierte die Situation. Nachdem fünf ehemalige Mitarbeiter der Klägerin mit erheblichem Begründungsaufwand um eine räumliche Versetzung der Klägerin gebeten hatten, sah sich die Behörde als Arbeitgeberin in der Pflicht. Die Klägerin sah sich durch die erteilten Weisungen schikaniert, versuchte sich diesen zu entziehen und wurde schließlich nach erfolgloser Abmahnung fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt.
Das Arbeitsgericht München sowie das Landesarbeitsgericht München sahen die Kündigungen als nicht gerechtfertigt an. Die Weisungen seien unbillig gewesen. Die Klägerin hätte deshalb ihre Erfüllung verweigern dürfen. Ohne einen Pflichtverstoß gebe es keinen Kündigungsgrund.
Das Bundesarbeitsgericht wertete die Weisungen ganz anders. Es konnte allerdings die Sache nur an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen, weil es dem BAG nicht möglich war, den Sachverhalt abschließend zu beurteilen. Die Klägerin durfte sich nach den beiden erstinstanzlichen Urteilen eigentlich im Recht fühlen und muss jetzt befürchten, dass das Landesarbeitsgericht nach erneuter Überprüfung nach Maßgabe der Hinweise des Bundesarbeitsgerichts feststellen wird, dass das Arbeitsverhältnis entweder aufgrund der fristlosen Kündigung oder aber jedenfalls aufgrund der fristgemäßen Kündigung bereits im Jahr 2014 sein Ende gefunden hat.
Der Arbeitgeber hatte die Klägerin angewiesen,
- eine andere Hauptaufgabe als bisher zu erledigen, nämlich ein „Bauwerksbuch“ zu erstellen,
- die Hauptaufgabe in einem anderen Gebäude als bisher zu erbringen,
- sich um die Ausstattung des Arbeitsplatzes zu kümmern und
- durch An- und Abmeldung per E-Mail die Kontrolle handschriftlicher Stundennachweise möglich zu machen.
Das Landesarbeitsgericht hatte sich mit den drei letztgenannten (Teil-)Anweisungen auseinandergesetzt und gemeint, schon weil diese unwirksam seien, hätte die Klägerin sich auch um die Erstellung des Bauwerksbuchs nicht weiter kümmern müssen. Die Anweisung sei als einheitliche zu betrachten. Das Bundesarbeitsgericht verlangt aufgrund seiner abweichenden Haltung zur Bewertung der Ausübung des Direktionsrechts vom Landesarbeitsgericht zunächst eine Überprüfung der Weisung, für bestimmte Stützpunkte ein Bauwerksbuch zu erstellen und die Gebäudesubstanz zu bewerten. Es weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass zugunsten der Beklagten ins Gewicht fallen könne, dass es sich um die Reaktion auf eine bestehende Konfliktlage handelte und die Beklagte sowohl aus dienstlichen als auch aus fiskalischen Gründen gehalten war, eine geeignete Verwendung für die Klägerin zu finden.
Die Umsetzung in ein anderes Gebäude sei ebenfalls zu überprüfen. Nach den Ausführungen der Mitarbeiter in dem oben genannten Schreiben liege die Annahme nahe, dass die Beklagte zumindest zu der Einschätzung gelangen durfte, nur eine Umsetzung der Klägerin in ein anderes Gebäude könne der Konfliktlage gerecht werden. Umgekehrt seien bislang keine Umstände ersichtlich, die gegen eine Umsetzung der Klägerin in das andere Gebäude sprechen würden.
Die Ausstattung des Arbeitsplatzes spiele wohl keine Rolle mehr, weil sich die Beklagte darum gekümmert hätte und die Klägerin auch nach diesbezüglicher Abhilfe ihre Arbeitsleistungen nicht erbracht bzw. die Nebenpflichten nicht erfüllt hätte. Auch die letzten Abmahnungen seien danach erfolgt.
Auch die An- und Abmeldung per E-Mail hätte die Arbeitgeberin verlangen dürfen.
Sicherlich handelt es sich um ein Urteil, das sehr stark durch die besonderen Umstände des Einzelfalles geprägt ist. Es zeigt aber auch sehr deutlich, mit welchen Risiken eine Arbeitsverweigerung trotz des Urteils vom 18.10.2017 verbunden ist. Folgt der Arbeitnehmer auch nach einschlägigen Abmahnungen einer Anweisung nicht, weil er die Wirksamkeit der Anweisung falsch einschätzt, kann eine ausgesprochene Kündigung durchaus wirksam sein.
Das Bundesarbeitsgericht schließt die Urteilsbegründung mit dem Hinweis, dass es in dem vorliegenden Fall auch keinen Hinweis auf einen fahrlässigen Rechtsirrtum gebe. Die Klägerin träfe selbst bei einem fahrlässigen Rechtsirrtum gleichwohl ein erhebliches Verschulden, weil sie sich nach den bisherigen Feststellungen nicht habe fachkundig beraten lassen. Derartigen Ausreden schiebt damit das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich einen Riegel vor.
- Autor: Rechtsanwalt Christoph Schmedding
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