Mai 2018
Entschädigungsanspruch schwerbehinderter Bewerber nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
veröffentlicht am 01.05.2018
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil vom 28.09.2017 (8 AZR 492/16) ein weiteres Mal mit den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruches eines abgelehnten schwerbehinderten Bewerbers auseinandergesetzt.
Das Bundesarbeitsgericht stellt unter Verweis auf § 22 AGG dar, dass die vermeintlich diskriminierte Person nur Indizien vortragen müsse, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Das Arbeitsgericht hat dann unter Berücksichtigung aller Umstände des Rechtsstreites den Sachverhalt insgesamt zu würdigen. Kommt es hierbei zu der Auffassung, dass die vermeintlich diskriminierte Person derartige Sachverhalte dargelegt hat, ist es nunmehr am Arbeitgeber, diese Vermutung zu widerlegen und darzulegen und gegebenenfalls auch zu beweisen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt das so genannte Beweismaß des "Vollbeweises". Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung (Nichteinstellung) geführt haben. Bleiben dem Gericht hiernach Restzweifel, gehen diese zu Lasten des Arbeitgebers.
Wichtig an der Entscheidung sind die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage, wann eine vermeintlich diskriminierte Person Indizien zur Vermutung einer Benachteiligung dargelegt hat. Das Bundesarbeitsgericht meint, dass bereits formale Verstöße des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, grundsätzlich die Vermutung einer Benachteiligung im Sinne von § 22 AGG wegen der Schwerbehinderung indizieren.
Im vorliegenden Fall wurde ein schwerbehinderter Bewerber abgelehnt. Er meinte, der Arbeitgeber habe § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX (alte Fassung - neu § 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX) verletzt. Danach hat der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen alle Beteiligten über eine getroffene Entscheidung (hier die Entscheidung zur Ablehnung seiner Bewerbung) unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Dieses habe er nicht getan. Ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung liege damit vor.
Der abgelehnte Bewerber war mit seiner Klage nur deshalb nicht erfolgreich, weil das Bundesarbeitsgericht zu der Auffassung kam, dass die Voraussetzungen der Unterrichtungspflicht im Einzelfall nicht gegeben waren. Denn die beteiligte Schwerbehindertenvertretung war mit der Entscheidung des Arbeitgebers, den Bewerber abzulehnen, einverstanden.
Die Entscheidung zeigt sehr deutlich, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem SGB IX auch in formaler Hinsicht sehr ernst nehmen muss. Verfahrensverstöße können Entschädigungsansprüche vermeintlich diskriminierter schwerbehinderter Personen auslösen. Dies gilt nicht nur bei Bewerbungsverfahren, sondern kann auch in einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis relevant werden.
Falls Sie im Einzelfall Zweifel am Umfang Ihrer Verpflichtungen aus dem SGB IX haben, rufen Sie in der Verbandsgeschäftsstelle an und lassen Sie sich von einer Juristin/einem Juristen informieren.