Arbeitsrecht
Juli 2018 Sachgrundlose Befristung: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stärkt Verbot der Vorbeschäftigung und erteilt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine Absage!
veröffentlicht am 01.07.2018
Nach der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sind sachgrundlose Befristungen zwischen den denselben Vertragsparteien auf die erstmalige Begründung eines Arbeitsverhältnisses beschränkt: Damit ist jede erneute sachgrundlos befristete Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber verboten.
Diese Regelung ist prinzipiell verfassungsgemäß. Das hat der Erste Senat des BVerfG mit Beschluss vom 06. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) auf die Verfassungsbeschwerde eines Arbeitnehmers und den Vorlagebeschluss des ArbG Braunschweig hin entschieden.
Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG gleichermaßen auch der bisherigen Rechtsprechung des BAG kurzerhand ein Ende gesetzt und klargestellt, dass das Vorbeschäftigungsverbot nicht auf drei Jahre beschränkt ist!
Seit 2011 hat das BAG bekanntermaßen in den Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. Satz 2 TzBfG eine Art Sperrfrist von drei Jahren hineingelesen, so dass die Erfurter Richter eine erneute sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragspartnern dann als zulässig angesehen haben, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen mehr als drei Jahre lagen.
Diese BAG-Auslegung zur Vorbeschäftigung war schon in der Vergangenheit mehrfach auf erhebliche Kritik bei den Instanz-Gerichten gestoßen, so zuletzt etwa auch bei der 6. Kammer des LAG Niedersachsen (Urteil vom 20.07.2017 – Az.: 6 Sa 1125/16).
Diese Kritik teilte nun auch das BVerfG: die Karlsruher Richter haben klargestellt, dass die aktuelle Auslegung des BAG nicht mehr vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist. Die Fachgerichte müssten bei der Auslegung von Gesetzen stets die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und diese ist laut BVerfG vorliegend klar erkennbar. Der Gesetzgeber habe sich bei dem Verbot der Vorbeschäftigung deutlich erkennbar gegen eine Frist entschieden. Richterliche Rechtsfortbildung dürfe diesen klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht einfach übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.
Das BVerfG hat auch klargestellt, dass die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG weder die Berufsfreiheit der Beschäftigten, noch die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Arbeitgeber eingeschränkt. Der Gesetzgeber wolle mit dem Verbot der Vorbeschäftigung "die strukturell dem Arbeitgeber unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen schützen und zugleich das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform sichern", argumentierte das BVerfG. Vor diesem Hintergrund sei die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das BVerfG hielt zwar Ausnahmen vom Vorbeschäftigungsverbot auch weiterhin grundsätzlich für möglich, z.B. dann, wenn die Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder nur von sehr kurzer Dauer gewesen ist (Nebenbeschäftigungen während der Schul- oder Studienzeit). Konkretisiert werden müsse das aber von den Fachgerichten im Einzelfall.
Fazit: Für Arbeitgeber dürfte die aktuelle Entscheidung des BVerfG erhebliche Auswirkungen haben, denn es ist zu erwarten, dass im Anschluss an die bereits vorhandenen Entscheidungen mehrerer Landesarbeitsgerichte auch das BAG seine bisherige Rechtsprechung (wieder) aufgeben und die starre 3-jährige Sperrfrist kippen wird.
Praxistipp: Auch wir empfehlen Ihnen mit Blick auf die Argumentation des BVerfG dringend, von der sachrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG nur noch bei der erstmaligen Neueinstellung Gebrauch zu machen. Obwohl das BVerfG grundsätzlich auch weiterhin Möglichkeiten für Ausnahmen gesehen hat, ist derzeit nur sehr schwer erkennbar, wie lange eine mögliche Weiterbeschäftigung (auf jeden Fall länger als drei Jahre) zurückliegen kann oder welche Art der Vorbeschäftigung konkret als Ausnahme gelten kann, geschweige denn schlussendlich auch gerichtlich anerkannt wird.
Hinweis: Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung im Anschluss an eine Ausbildung bleibt von der Entscheidung des BVerfG unberührt, denn die Ausbildung ist weiterhin nicht mit einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gleichzusetzen.
- Autor: Rechtsanwältin Ruth Wreesmann
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