Dezember 2018
Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsrecht
veröffentlicht am 01.12.2018
Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Urteilen vom 06. November 2018 zum Urlaubsrecht Stellung genommen.
Fall 1 (vereinfacht):
Der Arbeitnehmer verstarb nach längerer Krankheit im laufenden Arbeitsverhältnis. Seinen Urlaub hat er nicht mehr nehmen können, ein Abgeltungsanspruch war nicht entstanden, da das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet war. Die Witwe als Alleinerbin verklagt den Arbeitgeber auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs ihres verstorbenen Ehemannes.
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 12. März 2013, 9 AZR 532/11) sprach der EuGH der Witwe den Abgeltungsanspruch zu. Das Unionsrecht verlange, dass ein nicht genommener Urlaubsanspruch des verstorbenen Arbeitnehmers nicht untergeht, sondern als Abgeltungsanspruch von den Erben geltend gemacht werden kann.
Mit dieser sehr weiten arbeitnehmerfreundlichen Auslegung entfernt sich der EuGH noch weiter vom Sinn und Zweck des im Arbeitsverhältnis zu gewährenden Erholungsurlaubs. Dieser hat den Zweck, dass sich ein Arbeitnehmer im Rahmen des vom Arbeitgeber bezahlten Urlaubs von der geleisteten Arbeit erholt und damit auch seine zukünftige Arbeitsfähigkeit erhält. Durch die Entkoppelung von Arbeit einerseits und Urlaub andererseits kann es zu den dargestellten befremdlichen Ergebnissen kommen:
Mit "Erholungsurlaub" haben diese Entscheidungen nichts mehr zu tun.
Fall 2 (vereinfacht):
Der Arbeitnehmer hat seine ihm bekannten Urlaubsansprüche nicht beantragt und genommen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte er deren Abgeltung. Der Arbeitgeber berief sich auf einen eingetretenen Verfall des Urlaubsanspruches und lehnte eine Abgeltung ab.
Der EuGH hat entschieden, dass das EU-Recht es nicht zulässt, dass ein Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage und entsprechend damit seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch deshalb verliere, weil er vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub beantragt habe. Dieser Anspruch könne nur dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen habe. Nur wenn der Arbeitnehmer ihn dann aus freien Stücken nicht nimmt, würde er verfallen.
Auch hier hat der EuGH zum wiederholten Mal das europäische Urlaubsrecht zugunsten der Arbeitnehmer sehr weit ausgelegt. Der Arbeitgeber wird zukünftig darauf achten müssen, dass er dem Arbeitnehmer einerseits mitteilt, welchen Urlaubsanspruch er besitzt und ihm andererseits die Möglichkeit einräumt, seinen Urlaub auch zu nehmen. Ein Hinweis auf den Verfall des Urlaubes ist zu empfehlen. Ob der Arbeitgeber für den Fall der Passivität des Arbeitnehmers dessen Urlaub bestimmen kann, ist offen.
Vgl. zum Ganzen EuGH vom 06.11.2018, C-570/16; C-569/16; C-690/16 und C-684/16.
Bei Rückfragen zu dieser Thematik wenden Sie sich gerne an den Verband.