August 2018
Rückzahlung einer tarifvertraglichen Sonderzuwendung bei Ausscheiden bis zum 31. März des Folgejahres
veröffentlicht am 01.08.2018
Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juni 2018 (10 AZR 290/17) kann in Tarifverträgen der Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums im Folgejahr abhängig gemacht werden.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt arbeitete der Beklagte über mehrere Jahre als Busfahrer in dem Verkehrsunternehmen der Klägerin. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme ein Tarifvertrag Anwendung, der einen Anspruch auf eine bis zum 01. Dezember zu zahlende Sonderzuwendung vorsieht. Diese dient auch der Vergütung für geleistete Arbeit. Nach dem Tarifvertrag ist diese Sonderzuwendung vom Arbeitnehmer dann zurückzuzahlen, wenn er in der Zeit bis zum 31. März des folgenden Jahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet. Der Busfahrer kündigte das Arbeitsverhältnis im Oktober 2015 zum Januar 2016. Mit der Abrechnung für November 2015 zahlte das Verkehrsunternehmen an ihn die tarifliche Sonderzuwendung in Höhe eines Monatsentgelts. Nachdem das Arbeitsverhältnis geendet hatte, verlangte das Verkehrsunternehmen die Sonderzuwendung mit Hinweis auf die Regelung im Tarifvertrag zurück. Der Busfahrer lehnte dieses ab, weil er die tarifliche Regelung für unwirksam erachtete. Sie verstoße als unverhältnismäßige Kündigungsbeschränkung gegen das Grundrecht auf die Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Sowohl das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage des Verkehrsunternehmens stattgegeben, und die Revision des Busfahrers hatte vor dem 10. Senat des Bundesarbeitsgerichtes keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht weist mit Urteil vom 27. Juni 2018 zunächst darauf hin, dass eine solche Rückzahlungsregelung allerdings unwirksam wäre, wenn sie als arbeitsvertragliche Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) einer Klauselkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen wäre. Dagegen unterliegen arbeitsvertraglich in ihrer Gesamtheit einbezogene Tarifverträge keiner solchen Inhaltskontrolle, weil sie nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfindet. Tarifverträge stehen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB gleich.
Nach diesem höchstrichterlichen Urteil verstößt die Rückzahlungsverpflichtung des Busfahrers nicht gegen höherrangiges Recht. Sie verletzt insbesondere nicht Art. 3. Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG, die die Tarifvertragsparteien bei einer tariflichen Normsetzung zu beachten haben. Den Tarifvertragsparteien steht dabei aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maße verfügen. Ihnen kommt ein Einschätzungsermessen zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Nach dem BAG-Urteil sind die Tarifvertragsparteien nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn es für die getroffene Regelung einen sachlich vertretbaren Grund gibt. Das Bundesarbeitsgericht hält die Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers vorliegend noch für verhältnismäßig. Die Grenzen des gegenüber einseitig gestellten Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erweiterten Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien sind nicht überschritten. Insofern ist klargestellt, dass das Bundesarbeitsgericht eine inhaltsgleiche Regelung in einem Individualarbeitsvertrag für unwirksam erachten würde, dagegen nicht eine solche Formulierung, wenn sie die Tarifvertragsparteien getroffen haben.