Arbeitsrecht
Mai 2024 Anfechtung der Eigenkündigung eines Arbeitnehmers wegen widerrechtlicher Drohung mit fristloser Kündigung
veröffentlicht am 02.05.2024
In Trennungsgesprächen kommt es immer wieder auch zum Vorbringen etwaig beabsichtigter arbeitgeberseitiger Kündigungen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sich in seinem Urteil vom 20.07.2023 zum Az. 5 Sa 318/22 mit der Thematik betreffend der Anfechtung einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen widerrechtlicher Drohung mit einer fristlosen Kündigung auseinandergesetzt.
Der klagende Arbeitnehmer war seit dem 01.11.2010 bei der beklagten Arbeitgeberin als Feuerwehrmann beschäftigt. Während der Corona-Pandemie waren besondere Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz vorgeschrieben, um das Infektionsrisiko zu senken. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) durften Beschäftigte diese Arbeitsstätten nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder getestet waren und einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder beim Arbeitgeber hinterlegten (so genannte 3-G-Regel am Arbeitsplatz).
Bis einschließlich 22.12.2021 legte der klagende Arbeitnehmer der Dienststelle negative Testergebnisse vor. Im weiteren Verlauf haben die Tarifvertragsparteien in der Tarifrunde 2021/2022 die Zahlung einer Impfprämie in Höhe von 100 € beschlossen. Alle vollständig geimpften Beschäftigten konnten diese Prämie bis zum 28.02.2022 mit einem entsprechenden Impfnachweis einfordern. Am 24.12.2021 legte der klagende Arbeitnehmer der Dienststelle sodann ein digitales COVID-19-Impfzertifikat vor, das durchgeführte Impfungen mit vollständigem Impfschutz bereits seit dem 28.05.2021 auswies. Die Dienststelle bezweifelte im weiteren Verlauf die Echtheit des vorgelegten Zertifikates. Unter dem 07.01.2022 wurde der klagende Arbeitnehmer hierzu angehört und erklärte, dass er geimpft worden sei und legte auf Nachfrage am 18.01.2022 eine Kopie seines Impfausweises vor. Nach Erstattung einer Strafanzeige führte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den klagenden Arbeitnehmer, welches noch nicht abgeschlossen ist, in dessen Rahmen allerdings Ende März 2022 eine Wohnungsdurchsuchung stattfand, bei welcher der Impfausweis des klagenden Arbeitnehmers sichergestellt wurde.
Am 16.05.2022 erfolgte von Seiten der Arbeitgeberin eine Anhörung des Arbeitnehmers wegen des Verdachts, dass er der Dienststelle ein unrichtiges COVID-19-Impfzertifikat vorgelegt habe. Im Verlauf des Gesprächs, in dem der Arbeitnehmer weiterhin die Echtheit seines Zertifikates beteuerte, wurde dem Arbeitnehmer mitgeteilt, dass eine außerordentliche Verdachtskündigung beabsichtigt sei und er seine persönlichen Sachen packen sowie den Arbeitsplatz verlassen könne. Alternativ könne er auch eine Eigenkündigung aussprechen.
Im weiteren Verlauf fertigte sodann eine Mitarbeiterin der Personalabteilung der Arbeitgeberin am Computer eine schriftliche Eigenkündigung vom 16.05. zum 30.06.2022, die der Arbeitnehmer unterschrieb.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.06.2022 erklärte der Arbeitnehmer die Anfechtung der Eigenkündigung wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Nach weitergehender außergerichtlicher Korrespondenz erhob der Arbeitnehmer sodann Feststellungsklage. Das Arbeitsgericht hat die Klage zunächst abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Eigenkündigung des Arbeitnehmers wirksam sei.
Auch die hiergegen gerichtete Berufung des klagenden Arbeitnehmers hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass der Arbeitnehmer die Eigenkündigung nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB angefochten habe. Es fehle mangels Nötigungswillen bereits an einer Drohung von Seiten der Arbeitgeberin im Gespräch vom 16.05.2022. Selbst wenn eine Drohung im Rechtssinne erfolgt sein sollte, wäre diese jedenfalls nicht widerrechtlich gewesen.
Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung sei - so das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - nur dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Nicht erforderlich sei allerdings, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie erklärt worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte.
Im vorliegenden Fall lägen jedoch gewichtige objektive Verdachtstatsachen gegen den klagenden Arbeitnehmer vor. Die Vorlage eines falschen COVID-19-Impfzertifikat, um sich entweder unbefugten Zutritt zum Arbeitsplatz zu verschaffen oder - wie vorliegend - eine tarifliche Impfprämie zu erschleichen, sei als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet, den Ausspruch einer außerordentlichen Tat- aber auch Verdachtskündigung zu rechtfertigen.
Die vorliegende Thematik betreffend der Anfechtung einer Kündigung oder auch eines Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung hat in der vergangenen Zeit mehrfach die Gerichte beschäftigt. Die vorliegende Entscheidung reiht sich inhaltlich insofern konsequent in die dort entwickelten Ansätze und Grundsätze ein.
Die Ankündigung einer außerordentlichen Kündigung in einem Gespräch ist jedenfalls dann denkbar, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Gleichwohl ist Arbeitgebern dringend anzuraten, derartige Ankündigungen bzw. Androhungen nicht inflationär in jedem beabsichtigten Trennungsgespräch heranzuziehen oder sogar vorzubringen. Sollte der zugrundeliegende Sachverhalt eine derartige außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen und der Arbeitnehmer die konkreten Äußerungen und Gegebenheiten nachweisen können, wäre eine erklärte Anfechtung von diesem erfolgreich.
Selbstverständlich unterstützen die Juristinnen und Juristen des Verbandes gerne alle Mitglieder bei den damit verbundenen Fragestellungen.
- Autor: Rechtsanwalt Dr. Horst Röben
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