Arbeitsrecht
April 2024 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Nutzung von ChatGPT?
veröffentlicht am 02.04.2024
Die Verwendung von ChatGPT wird derzeit kontrovers diskutiert und auch Unternehmen beschäftigen sich zunehmend mit der Frage, wie sie mit dem Einsatz von KI-Systemen umgehen wollen.
Groß und sogar bereits Klein nutzen den „Chatbot, der künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten und Bilder zu kommunizieren“, so die bei Wikipedia zu findende Beschreibung. Einen kurzen Vortrag für die Veranstaltung in der nächsten Woche unter Einbeziehung aktueller Themen? Ein Kurzreferat zum Thema Nachhaltigkeit? – mit ChatGPT innerhalb von Sekunden vorbereitet. Eine kritische inhaltliche Überprüfung sollte zwar unbedingt erfolgen, dennoch lassen sich Arbeitsergebnisse häufig aber deutlich schneller erzielen, als zuvor.
Abseits der Frage, ob künstliche Intelligenz wirklich abschließend in der Lage sein kann, menschliche Intelligenz zu ersetzen, stellen sich auch eine Vielzahl rechtlicher Fragen, von denen unter anderem das Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 16.01.2024, Az. 24 BVGa 1/24, eine aus dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts zu entscheiden hatte:
Ein Unternehmen gestattete Beschäftigten ausdrücklich die Nutzung von KI-Tools, insbesondere von ChatGPT, im Rahmen einer entsprechenden Arbeitsanweisung. Durch das Unternehmen selbst sollte ChatGPT allerdings nicht eingeführt oder zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr wurde den Beschäftigten die Nutzung nur gestattet, sofern diese über einen privaten Account verfügten und diesen über den Webbrowser nutzen konnten. Machten die Beschäftigten von einem KI-Tool bzw. von Chat-GPT Gebrauch, sollte das Arbeitsergebnis lediglich mit einem entsprechenden Hinweis versehen werden. Eine Pflicht zur Nutzung sollte auch nicht bestehen.
Der (Konzern-)Betriebsrat wurde bei dieser Entscheidung nicht eingebunden und begehrte schließlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass der Einsatz von ChatGPT und anderen KI basierten Systemen im Unternehmen verboten wird.
Das Arbeitsgericht Hamburg setzte sich daraufhin mit der Frage auseinander, ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im hier konkret vorliegenden Fall bei der Nutzung von ChatGPT bestehen und gewahrt werden müssen.
Geprüft hat es dabei im Wesentlichen das Bestehen von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer mitzubestimmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat demnach mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Dieses ist immer dann berührt, wenn die konkrete Maßnahme auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt.
Mitbestimmungsfrei hingegen sind Maßnahmen, die ausschließlich das sogenannte Arbeitsverhalten der Beschäftigten betreffen. Maßnahmen betreffen immer dann das sog. Arbeitsverhalten, wenn der Arbeitgeber kraft seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes bestimmt, welche Arbeiten zu erledigen sind und in welcher konkreten Art und Weise dies erfolgen soll. Mitbestimmungsfrei sind demnach also arbeitgeberseitige Anordnungen, mit denen lediglich die Arbeitspflicht konkretisiert wird – ob, wann und wie die Arbeit zu erledigen ist fällt daher nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
Bei Anwendung dieser Grundsätze fallen die Vorgaben des Arbeitgebers im vorliegenden Fall, über den das Arbeitsgericht Hamburg zu entscheiden hatte, nicht unter den Mitbestimmungstatbestand aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sondern vielmehr in den Bereich des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens der Beschäftigten.
Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat weiter mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Schützen soll dieses Mitbestimmungsrecht Beschäftigte vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und damit unverhältnismäßig sind.
„Überwachung“ meint einen Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Beschäftigten seitens des Arbeitgebers erhoben und – jedenfalls im Regelfall – aufgezeichnet werden, um sie auch einem späteren Zugriff zugänglich zu machen. Dabei müssen die Informationen gerade auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, sodass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber eingesehen werden können.
Die Überwachung muss durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Sie muss also Daten über bestimmte Vorgänge selbst und automatisch erheben, speichern und verarbeiten.
Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen nach der ständigen Rechtsprechung des BAG bereits dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- und Leistungsinformationen über Beschäftigte erheben und aufzeichnen zu können. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es hierbei nicht an.
Im vorliegenden Fall konnte ChatGPT ausschließlich über den Webbrowser genutzt werden. Eine direkte Installation auf den Softwaresystemen fand gerade nicht statt. Zwar wird sich dem Verlauf des Webbrowsers entnehmen lassen können, dass ein Beschäftigter entsprechende Internetseiten aufsuchte, jedoch handelt es sich hierbei um keine neue Besonderheit im Zusammenhang mit der Anwendung von ChatGPT, sondern um eine bekannte Funktionsmöglichkeit des Webbrowsers. Zur Nutzung von Browsern bestand bei dem Arbeitgeber, der die Nutzung von ChatGPT erlaubte, auch bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung, die hierzu Regelungen traf.
Weiter konnten die Beschäftigten ChatGPT ausschließlich mit einem eigenen Account nutzen, auf den der Arbeitgeber keinerlei Zugriff hatte. Er konnte nicht nachvollziehen, wann welcher Beschäftigter wie lange und mit welchem konkreten Anliegen ChatGPT nutzte. Selbst wenn ChatGPT also Daten aufzeichnen sollte, wird ein etwaiger Überwachungsdruck nicht durch den Arbeitgeber ausgeübt. Dieser kann schließlich durch die vorgegebene Nutzung der privaten Accounts nicht auf die von ChatGPT gewonnenen Informationen zugreifen.
Das Arbeitsgericht Hamburg verneinte also auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Nach alledem kam das Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 16.01.2024 insgesamt zu dem Ergebnis, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Zusammenhang mit der vorstehend beschriebenen Nutzung von ChatGPT und anderen KI-Tools nicht besteht.
Etwas anderes – insbesondere im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG - dürfte sich aber wohl dann ergeben, wenn der Arbeitgeber selbst KI-Tools oder ChatGPT inklusive arbeitgeberseitiger und nicht ausschließlich persönlicher Zugänge zur Verfügung stellt.
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- Autor: Rechtsanwältin Svenja Katharina Brings
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