Arbeitsrecht
Februar 2024 Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Verbot von Handynutzung während der Arbeitszeit
veröffentlicht am 01.02.2024
Nur kurz auf dem "Handy" die Uhrzeit "checken", dürfte für viele Menschen völlig selbstverständlich sein, vor allem wenn man keine Armbanduhr mehr trägt. Dann sieht man auch ein paar eingegangene Nachrichten oder Meldungen und schon wird aus dem kurzen Blick eine richtige Unterbrechung. Mitunter kann die Privatnutzung des Mobiltelefons Arbeitsabläufe stören.
In einem aktuellen Beschluss vom 17. Oktober 2023 (Aktenzeichen 1 ABR 24/22) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) Klarheit bezüglich des Verbots der privaten Handynutzung am Arbeitsplatz geschaffen. Die Entscheidung betrifft die Frage, ob ein Arbeitgeber ein solches Verbot ohne Beteiligung des Betriebsrats aussprechen kann oder ob dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Der Erste Senat des BAG folgte der Auffassung der Vorinstanzen (LAG Niedersachsen und Arbeitsgericht Braunschweig) und wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurück. Die Entscheidung bezieht sich speziell auf die private Handynutzung während der Arbeitszeit.
Der Sachverhalt war im entschiedenen Fall wie folgt: In einem produzierenden Betrieb in der Automobilzulieferindustrie entstehen Leerlaufzeiten durch betriebsbedingte Wartezeiten. Sowohl in der direkten als auch in der indirekten Produktion kann es an einigen Arbeitsplätzen zu Leerlaufzeiten kommen. In der direkten Produktion kommt dies beispielsweise dann vor, wenn ein Maschinenumbau notwendig ist und vom Maschinenbediener der Button "Warten auf Einrichter" gedrückt wird. Auch im Bereich Versand und Wareneingang fallen Wartezeiten an, in denen auf einen neuen Arbeitsvorgang gewartet wird. In solchen Leerlaufzeiten reagiert die Arbeitgeberin teilweise, indem sie die betroffenen Beschäftigten anderweitig einsetzt. Auch gibt es teilweise Nebenarbeiten, die von den Beschäftigten selbstständig - ohne Anweisung im Einzelfall - ausgeführt werden können, wie beispielsweise das Aufräumen des Arbeitsplatzes oder das Nachfüllen von Verbrauchsmaterial. Die Arbeitgeberin verbot per Aushang die private Nutzung von Handys während der Arbeitszeit und drohte bei Verstoß mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, einschließlich fristloser Kündigung. Der Betriebsrat war der Ansicht, die Arbeitgeberin habe es zu unterlassen, dieses ohne seine Beteiligung ausgehängte Verbot aufrechtzuerhalten. Er verwies auf sein Mitbestimmungsrecht, da zumindest auch das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen sei und klagte vor dem Arbeitsgericht Braunschweig.
Das BAG bestätigte, dass ein Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegt. Die Entscheidung basiert auf der Unterscheidung zwischen Regelungen, die das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer betreffen (mitbestimmungspflichtig), und solchen, die das Arbeitsverhalten unmittelbar konkretisieren (mitbestimmungsfrei). Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen. Dagegen sind Regelungen und Weisungen, welche die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren - so genanntes Arbeitsverhalten -, nicht mitbestimmungspflichtig. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens.
Das Verbot, Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu nutzen, betrifft die Frage, in welcher Weise die Arbeit auszuführen ist. Geregelt wird nach dem objektiven Regelungszweck der Weisung nicht ein arbeitsbegleitendes Verhalten, sondern es werden Tätigkeiten untersagt, denen die Arbeitnehmer neben der Erledigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit nicht gleichzeitig nachgehen können. Die Kontrolle etwa verpasster Anrufe als auch eingegangener Textnachrichten setzt voraus, dass der Mitarbeiter seine Arbeit unterbricht, um das Smartphone ggf. zu entsperren und es zu bedienen. Laut BAG kann die Nutzung der "Geräte - im allgemeinen Sprachgebrauch als Handys bezeichnet -" während der Arbeitszeit verboten werden. Denn die Weisung zielt darauf ab, zügiges und konzentriertes Arbeiten sicherzustellen, indem mögliche Ablenkungen durch die Geräte unterbunden werden.
Die Entscheidung schafft Rechtsklarheit angesichts bisher unterschiedlicher Auffassungen der Instanzgerichte und der Literatur. Die private Handynutzung am Arbeitsplatz betrifft nach der Rechtsprechung des BAG in diesem Fall im Wesentlichen das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Arbeitgeber können daher im Rahmen ihres Direktionsrechts entsprechende Verbote ohne Mitbestimmung des Betriebsrats aussprechen.
Die Entscheidung des BAG bezieht sich ausschließlich auf die Handynutzung während der Arbeitszeit. Ein generelles Verbot der Mitnahme von Handys an den Arbeitsplatz oder ein Nutzungsverbot in Sozialräumen während der Pausen bleibt mitbestimmungspflichtig. Daher empfehlen wir, in entsprechenden Weisungen explizit Ruhe- und Pausenzeiten auszunehmen und das Nutzungsverbot gegebenenfalls auf bestimmte Bereiche zu beschränken. Ergänzend bleibt die Möglichkeit, dass gegenüber einzelnen Arbeitnehmern ein Handyverbot im Rahmen des Direktionsrechts ausgesprochen werden kann, da hier kein kollektiver Bezug besteht, der ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen würde.
Selbstverständlich unterstützen die Juristinnen und Juristen des Verbandes gerne alle Mitglieder bei den damit verbundenen Fragestellungen.
- Autor: Rechtsanwalt Benjamin Schulte-Sienbeck
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