Arbeitsrecht
Dezember 2023 Verböserungsverbot beim Zeugnis
veröffentlicht am 01.12.2023
Streitigkeiten im Zusammenhang mit Zeugnissen sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Mit Datum vom 06.06.2023 (Az: 9 AZR 272/22) hat sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Arbeitnehmerin, die eine Verbesserung ihres Zeugnisses begehrt, es hinnehmen muss, dass das Zeugnis an anderer Stelle verschlechtert wird.
Die Klägerin war in der Zeit vom 15.08.2017 bis 28.02.2021 zunächst als „Persönliche Assistentin der Geschäftsführung“ und zuletzt als „Managerin of Administration and Central Services“ beschäftigt. Nach deren Ausscheiden erteilte die beklagte Arbeitgeberin der Klägerin ein Zeugnis, welches u.a. eine sog. „Dankes- und Wunschformel“ enthielt. Die Klägerin machte mehrfach Zeugnisänderungen, insbesondere eine bessere Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens, geltend, welche aber die enthaltene Schlussformel des Zeugnisses nicht betrafen.
Die Arbeitgeberin stellte ein verbessertes Zeugnis aus, strich jedoch die Schlussformel. Die Klägerin begehrte die Erteilung eines neuen Arbeitszeugnisses, welches die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel enthält.
Das Bundesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die beklagte Arbeitgeberin dazu verpflichtet, der Klägerin das Arbeitszeugnis unter Einschluss der begehrten Schlusssätze zu erteilen: „Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“
Das BAG sah zwar weder einen Anspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO noch aus § 241 Abs. 2 BGB auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses als gegeben an, welches mit einer derartigen Formel endet. Jedoch hat vorliegend die Arbeitgeberin gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB verstoßen. Gem. § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Verlangt ein Arbeitnehmer zu Recht von dem Arbeitgeber, das ihm erteilte Zeugnis abzuändern, darf der Arbeitgeber dies nur dann zum Anlass nehmen, den Zeugnisinhalt zu Lasten des Arbeitnehmers zu ändern, wenn sachliche Gründe ein Abweichen als angemessen erscheinen lassen. Durch die vorherige Zeugniserteilung mit Schlussformel war die Arbeitgeberin nun daran gebunden.
Das LAG hatte bereits festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin wegen ihres wiederholten Wunsches, die von ihr zuvor erteilten Zeugnisse zu ändern, mit der Streichung der Schlussformel sanktioniert hat. Vortrag, der diesen Zusammenhang hätte erschüttern können, hat die beklagte Arbeitgeberin im Prozess nicht dargetan. Insbesondere hat die beklagte Arbeitgeberin sich nicht darauf berufen, nach Erteilung der ersten beiden Zeugnisse von Umständen erfahren zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigten. Ferner ist der Anwendungsbereich des § 612a BGB nicht nur auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern auch nach dessen Beendigung eröffnet, insbesondere im Bereich des Zeugnis-rechts.
Fazit:
Das BAG bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung und trifft die klare Aussage, dass grundsätzlich kein Anspruch auf eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel im Arbeitszeugnis besteht. Das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, ist dabei höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber aber grundsätzlich an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von den in ihm enthaltenen Wissenserklärungen des Arbeitgebers zum Verhalten oder Leistung des Arbeitnehmers kann er nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen.
Bezüglich der konkreten Formulierung der Schlussformel bleibt es dabei, dass ein Arbeitnehmer, der mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden ist, nur die komplette Entfernung und nicht die Umformulierung verlangen kann.
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- Autor: Rechtsanwältin Anja Vollbrecht
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