Arbeitsrecht
November 2023 Rückzahlung von Fortbildungskosten
veröffentlicht am 14.11.2023
Die Arbeitswelt verändert sich: Die Digitalisierung aller Arbeitsbereiche hat an Bedeutung und Tempo zugenommen, zudem verlangt der demographische Wandel mit dem Austritt älterer und erfahrener Beschäftigter einen erheblichen Wissenstransfer.
Daher liegt die Fortbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem berechtigten unternehmerischen Interesse. Aber auch die Beschäftigten profitieren von einer Fortbildung und erlangen häufig Kompetenzen, die sie weit über ihren aktuellen Beschäftigungsbetrieb hinaus auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sich einsetzen können.
Das Unternehmen erwartet in der Regel, dass die fortgebildeten Beschäftigten ihre erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in einem Arbeitsverhältnis zu ihm verwerten (und beispielsweise nicht zum Konkurrenten wechseln). Häufig wird vereinbart, dass vom Arbeitgeber getragene Fortbildungskosten im Falle der frühzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Beschäftigten ganz oder teilweise zurückgezahlt werden.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigt zunächst, dass einzelvertragliche Vereinbarungen zur Rückzahlung von Fortbildungskosten grundsätzlich zulässig sind. Es stelle keine prinzipiell unangemessene Benachteiligung dar, den fortgebildeten Arbeitnehmer an den Kosten einer Ausbildungsmaßnahme zu beteiligen.
Allerdings: Das Bundesarbeitsgericht prüft die Rechtmäßigkeit von Rückzahlungsvereinbarungen sehr streng an den Regelungen des AGB-Rechts in §§ 305 ff BGB. Dies sei wegen des mit der Rückzahlungsverpflichtung einhergehenden Eingriffs in die Berufsfreiheit der Beschäftigten nach Art. 12 GG geboten.
Das rechtliche wie praktische Problem ist dabei, dass bereits ein kleiner Verstoß zur Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsklausel führt.
Exemplarisch ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.4.2023 (9 AZR 187/20):
Der Sachverhalt in Kürze: Auf Bitten der Arbeitnehmerin schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag, über den ein „Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung“ finanziert werden sollte. Der Vertrag enthielt eine umfassende Rückzahlungsklausel. Unter anderem war geregelt, dass eine Rückzahlung entfällt, wenn ein „Härtefall“ in der Person der Arbeitnehmerin dazu führt, dass diese das Examen nicht ablegen kann. Genannt war beispielsweise eine „dauerhafte Erkrankung, Pflege von Angehörigen“. Hier sei unter Umständen eine Teilnahme an der Prüfung nicht erforderlich und eine Rückzahlung würde nicht verlangt.
Die Arbeitnehmerin nahm wiederholt nicht an der Prüfung teil und kündigte das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberin verlangte anteilige Ausbildungskosten in Höhe von ca. 2.000 € zurück.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht erkannten zugunsten des Arbeitgebers und verurteilten die Arbeitnehmerin zur Zahlung.
Anders das Bundesarbeitsgericht: Die Rückzahlungsklausel führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Arbeitnehmerin im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und sei daher insgesamt unwirksam. Es sei zu kritisieren, dass die Härtefallregelung praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung geregelt seien, nicht enthalte. Die Härtefallregelung sei ungenügend. Sie erfasse nur einen Teil der praktisch relevanten Fälle und lässt insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt.
Diese durchaus kritikwürdige Entscheidung verfestigt den Eindruck, dass das Bundesarbeitsgericht den Rückzahlungsklauseln grundsätzlich sehr kritisch gegenübersteht. Es kann nur dringend angeraten werden, vor Abschluss derartiger Vereinbarungen Rücksprache mit den Juristinnen und Juristen des Verbandes zu nehmen. Die abzuschließenden Klauseln müssen stets der aktuellen Rechtsprechung genügen (wobei selbstverständlich und bedauerlicherweise nicht vorhergesagt werden kann, welche Wendungen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Zukunft noch nehmen wird).
- Autor: Rechtsanwalt Dr. Karsten Tech
- Telefon: 0441 21027-21
- E-Mail: karsten.tech@agv-oldenburg.de