Arbeitsrecht
November 2022 "Inflationsausgleichsprämie" beschlossen - was arbeitsrechtlich zu beachten ist
veröffentlicht am 01.11.2022
Am 07.10.2022 hat der Bundesrat dem "Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen" zugestimmt. Die Inflationsausgleichsprämie bietet Arbeitgebern die Möglichkeit, bis zum 31.12.2024 bis zu 3.000 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei an Arbeitnehmer zu zahlen.
Bei der Inflationsausgleichs-Sonderzahlung geht es um eine Abfederung der Belastung insbesondere durch die gestiegenen Gaspreise. Der Gesetzgeber regelt "nur" eine Befreiung von der Steuer- und Sozialabgabenpflicht. Die wichtigsten Eckpunkte der im Einkommenssteuerrecht (§ 3 Nr. 11c EStG) angesiedelten Regelung sind:
- die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden; insbesondere ist keine Umwandlung von bestehenden Vergütungsansprüchen (z.B. bestehender Anspruch auf ein Weihnachtsgeld) möglich,
- Leistungen können sowohl Geldzahlungen als auch Sachbezüge sein,
- Leistung muss Bezug zur Inflation haben; Hinweis zur Zweckbindung auf der Lohnabrechnung soll genügen,
- vom Arbeitgeber gewährte Leistungen sind bis zu einem Gesamtbetrag von 3000 € steuer-und abgabenfrei; gezahlt werden kann auch in mehreren Teilbeträgen,
- Begünstigungszeitraum ist zeitlich befristet - vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024,
- Freibetrag gilt pro Arbeitgeber. Hat ein Arbeitnehmer den vollen Betrag bei seinem alten Arbeitgeber schon ausgeschöpft, so kann der neue Arbeitgeber unabhängig davon wieder den vollen Freibetrag nutzen.
Wie bei allen anderen Zusatzleistungen auch, sind natürlich bei der Gestaltung/Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie gleichermaßen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, sowie arbeitsrechtliche Vorgaben, wie z.B. der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts zu beachten.
Tarifgebundene Arbeitgeber sollten vor allem prüfen, ob ggf. schon ein tariflicher Anspruch auf eine Inflationsausgleichsprämie besteht oder noch geplant ist. In dem Fall kann eine zusätzliche Gewährung - über den tariflichen Anspruch hinaus - die Steuer- und Abgabenfreiheit bei Überschreitung der Höchstgrenze zur Folge haben.
Entschließt sich ein Unternehmen zur Gewährung der Inflationsausgleichsprämie müssen folglich einige Aspekte berücksichtigt werden. Hier ein kurzer Überblick:
Mitbestimmung des Betriebsrates
Auch wenn die Leistung zusätzlich zum ohnehin gezahlten Arbeitsentgelt erbracht wird, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG; betriebliche Lohngestaltung) wenn es um die Verteilungsgrundsätze geht. Zwar könnte man argumentieren, dass es sich bei der Zahlung nicht um "Lohn" in diesem Sinne handelt, wenn es nur um die Abmilderung gestiegener Lebenshaltungskosten geht. Letztendlich versteht die Rechtsprechung den Begriff des "Lohns" aber denkbar weit als jede Leistung seitens Arbeitgeber, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses erbracht wird.
Wenn der Arbeitgeber die Zahlung der Prämie in gleicher Höhe an die gesamte Belegschaft plant, besteht zu dem "Ob" kein Mitbestimmungsrecht. Wenn er aber plant, die Prämie nicht allen Beschäftigten und/oder in unterschiedlicher Höhe zu gewähren, hat der Betriebsrat bei dem "Wie" der Verteilung ein Mitbestimmungsrecht.
Arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich weder verpflichtet, eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen, noch muss er zwingend alle Arbeitnehmer auf gleiche Weise begünstigen.
- Eine Differenzierung nach dem Umfang der Beschäftigung, also in Abhängigkeit von der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit ist zulässig.
- Auch eine ratierliche Auszahlung ist möglich. Der Freibetrag kann entweder als Einmalzahlung genutzt oder auf mehrere Leistungen im Zeitraum bis 31.12.2024 aufgeteilt werden. Der Betrag kann auch auf den gesamten Zeitraum aufgeteilt und z.B. ab dem 01.01.2023 bis zum 31.12.2024 eine monatliche Zahlung i.H.v. 125 EUR gewährt werden.
Der (nicht tarifgebundene) Arbeitgeber kann den Freibetrag somit faktisch auch für anstehende - noch nicht verbindliche - Lohnerhöhungen nutzen und jedenfalls bis 31.12.2024 "mehr Netto vom Brutto" erzeugen. In dem Fall muss aber darauf geachtet werden, dass die Erhöhung bis 31.12.2024 befristet und als Inflationsausgleichsprämie ausgewiesen wird.
- Die Gewährung der Prämie kann an einen Stichtag geknüpft werden, zudem die Auszahlung erfolgt. Vorstellbar ist z.B. eine Regelung, wonach die Zahlung nur Arbeitnehmer erhalten, die sich zum Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.
Die Vereinbarung einer Stichtagsregelung, die als Anspruchsvoraussetzung eine längere Dauer der Betriebszugehörigkeit vorsieht (z.B. die Wartezeit), dürfte ebenso möglich sein.
- Bei zukunftsbezogenen Stichtagsregelungen kann der Prämienanspruch - abhängig vom Zweck der Prämienzahlung - auch im Nachhinein wieder entfallen, weil das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Stichtag endet. Voraussetzung dafür ist nach der allgemeinen BAG Rechtsprechung zur Rückzahlung von Sonderzahlung, dass mit der Prämie nicht (auch) die erbrachte Arbeitsleistung oder best. Leistungserschwernisse im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung honoriert werden.
Unter Berücksichtigung des in der Gesetzesbegründung formulierten Zwecks der Prämie dürfte ein solcher "Leistungsbezug" eher nicht anzunehmen sein, so dass auch eine Rückzahlung grundsätzlich möglich erscheint, sofern die Bindung einen angemessenen Bindungszeitraum nicht übersteigt.
Das Urteil des ArbG OL vom 25.05.2021 (6 Ca 141/21) zu einer Rückzahlungsklausel in Bezug auf die Corona-Prämie steht dem nicht entgegen. Das ArbG hat in seiner im Ergebnis wohl richtigen Begründung ausgeführt, dass die Corona-Prämie (auch) als Leistungsprämie einzustufen ist, weil damit "zumindest auch erbrachte Arbeitsleistung honoriert" wird. Das gilt aber nicht für die Inflationsausgleichsprämie, denn diese dient ausschließlich der Abmilderung der Belastung durch gestiegene Verbraucherpreise.
- Differenzierungen sind zudem im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes möglich. So dürfen Beschäftigte in gleicher oder vergleichbarer Lage nicht willkürlich ungleich behandelt werden. Dem Arbeitgeber kommt zwar ein gewisser Spielraum zu, er muss aber nachvollziehbare Unterscheidungskriterien wählen, die auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und nicht gegen verfassungsrechtliche Wertentscheidungen oder gesetzliche Verbote verstoßen. Dies hat zuletzt in Bezug auf die Gewährung einer Corona-Prämie das LAG Rheinland-Pfalz nochmals ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 8. Februar 2022 - 6 Sa 306/21). In dem Fall hatte der Arbeitgeber die Zahlung der Prämie vom Grad des Kundekontaktes und somit vom Infektionsrisiko am Arbeitsplatz abhängig gemacht und das hat das LAG als zulässiges Differenzierungskriterium eingestuft.
Vor dem Hintergrund dürfte es z.B. zulässig sein, wenn für untere Gehaltsgruppen eine höhere Inflationsausgleichsprämie gewählt wird oder höhere Gehaltsgruppen (z.B. oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der RV) sogar ganz ausgeschlossen werden. Wenn die Abstände zwischen den Gehaltsgruppen nicht groß sind, sollte aber eine gleitende Regelung (je höher das Grundgehalt, desto niedriger die Inflationsausgleichsprämie) getroffen werden.
Ggf. können auch bestehende Unterhaltsverpflichtungen geeignet sein, jedenfalls eine angemessene Staffelung vorzunehmen. Wenn aber entschieden werden soll, dass z.B. Arbeitnehmer ohne Unterhaltsverpflichtungen gar keine Inflationsausgleichsprämie erhalten, dürfte dies nicht zulässig sein, weil die Preissteigerungen auch Personen ohne Unterhaltspflichten treffen.
Fazit
Die Inflationsausgleichsprämie bietet für Arbeitgeber viele Gestaltungsmöglichkeiten, die aber auch rechtliche Risiken beinhalten können. Bei Unsicherheiten wenden Sie sich daher gerne an unsere Verbandsjuristen.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 23 "'Inflationsausgleichsprämie' beschlossen - was arbeitsrechtlich zu beachten ist" im Mitgliederportal.
- Autor: Rechtsanwältin Ruth Wreesmann
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