Arbeitsrecht
Juni 2022 Folgt aus einer Vorbeschäftigung automatisch die Unzulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung?
veröffentlicht am 01.06.2022
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in seinem Urteil vom 15.12.2021 zum Az. 7 AZR 530/20 mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis infolge einer Vorbeschäftigung unzulässig ist.
Grundsätzlich ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages möglich. Demgegenüber ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
In dem vom Bundesarbeitsgericht streitigen Fall bestand zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber in der Zeit vom 21.06.2004 bis 14.08.2004 ein Arbeitsverhältnis, wonach eine Aushilfstätigkeit vereinbart wurde. Vom 01.10.2012 bis 28.02.2014, vom 04.08.2016 bis 31.08.2016 sowie ab dem 10.02.2017 war der Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung im Betrieb des Arbeitgebers tätig. Nach entsprechender Stellenausschreibung wurde der Arbeitnehmer anschließend ab dem 01.09.2017 für eine Aushilfstätigkeit kurzzeitig sachgrundlos befristet eingestellt. In der Folgezeit wurde das Beschäftigungsverhältnis zweimal weiter sachgrundlos bis letztlich zum 31.08.2019 verlängert.
Nach Ablauf der Befristung erhob der Arbeitnehmer Klage beim Arbeitsgericht und vertrat die Auffassung, dass seine Befristung wegen eines zuvor mit dem Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisses unzulässig sei. Insbesondere sei die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber in der vorliegenden Konstellation nicht unzumutbar.
Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Auffassung des Arbeitnehmers nicht geteilt. Auch das Bundesarbeitsgericht bestätigte anschließend die vorhergehenden Auffassungen. Die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannten Voraussetzungen seien mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren (01.09.2017 bis zum 31.08.2019) sowie der zweimaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Auch die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers in den wenigen Wochen im Sommer 2004 stünden der Zulässigkeit der Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht führte weiter aus, dass prinzipiell nicht jede frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber zur Unzulässigkeit einer sachgrundlosen weiteren Befristung führe. Der Anwendungsbereich der Norm sei vielmehr in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift in den Fällen einzuschränken, in denen das Verbot einer erneuten sachgrundlosen Befristung für die Parteien unzumutbar wäre. Der in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck könne das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht. Zur Konkretisierung verwies das Bundesarbeitsgericht insofern auf die ergangenen Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts, wonach vorgenannte Ausnahmen unter anderem gegeben sein könnten, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Beispielhaft seien für derartig geringfügige Nebenbeschäftigungen Tätigkeiten während der Schul- oder Studienzeit, im Rahmen einer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen bzw. freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze sowie dem Umstand, dass diese Bewertung prinzipiell den Tatsacheninstanzen obliege, kam das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass der Befristungskontrollantrag des Arbeitnehmers unbegründet sei und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der sachgrundlosen Befristung beendet wurde.
Aus dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich für die betriebliche Praxis, dass durch eine etwaige Vorbeschäftigung nicht generell die Unzulässigkeit einer anschließenden sachgrundlosen Befristung impliziert wird. Vielmehr kommt es auch hier – wie so häufig – auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. Das Vorbeschäftigungsverbot ist insofern in verfassungskonformer Auslegung in den Fällen einzuschränken, in denen es unzumutbar ist.
Selbstverständlich helfen die Juristinnen und Juristen des Verbandes den Mitgliedern gerne bei einer derartigen Beurteilung und bei allen damit verbundenen Fragestellungen.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 20 "Folgt aus einer Vorbeschäftigung automatisch die Unzulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung?" im Mitgliederportal.
- Autor: Rechtsanwalt Dr. Horst Röben
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