Arbeitsrecht
Mai 2022 Der Mitarbeiter geht - wem gehört das Arbeitsergebnis?
veröffentlicht am 02.05.2022
In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Situation nur allzu alltäglich: Die Fachkraft geht und nimmt mindestens ihr Wissen, manchmal aber auch noch mehr aus dem Unternehmen mit. Gut zu wissen also, wem die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses entwickelten Arbeitsergebnisse eigentlich zustehen und worauf es im Streitfall ankommen kann:
Das deutsche Urheberrecht blickt von seiner Ausrichtung her auf das Persönlichkeitsrecht des Urhebers und enthält mit § 43 Urhebergesetz und § 69 b Urhebergesetz nur einzelne Normen zum Schaffensprozess. Das Urheberrecht benennt demnach grundsätzlich diejenige natürliche Person, die das Werk geschaffen hat, als Inhaber der Urheberrechte und die Anwendbarkeit der urheberrechtlichen Regelungen, "soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses (in dessen Rahmen das Werk geschaffen wurde) nichts anderes ergibt." Nach wohl herrschender Meinung in der Literatur ergibt sich hieraus eine Verpflichtung zur Nutzungseinräumung am Arbeitnehmerwerk gegenüber dem Arbeitgeber; spätestens mit Übergabe des Werks soll insofern die Einräumung der Nutzungsrechte an den Arbeitgeber erfolgen. Soweit das entwickelte Werk Gegenstand der Arbeitsaufgabe war, ist demnach in aller Regel von einem Rechtsübergang auf den Arbeitgeber auszugehen, sodass ihm im Ergebnis Urheber- und Nutzungsrechte zustehen. Das Schriftformerfordernis von § 40 Urhebergesetz für die Rechtsübertragung ist insofern nach herrschender Meinung entbehrlich, da der Arbeitnehmer Urheber angesichts der Vergütungszahlung nicht schutzbedürftig sei.
Eine Sonderregelung enthält § 69 b für Computerprogramme. Nach dieser bleibt der menschliche Programmschöpfer stets Urheber des Werkes. Wurde dieses jedoch in Wahrnehmung arbeitsvertraglicher Aufgaben oder nach Weisung geschaffen, wird dem Arbeitgeber jedoch nach herrschender Meinung kraft Gesetzes das ausschließliche Recht zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm eingeräumt. Hat ein Arbeitnehmer ein Programm ohne arbeitsvertragliche Pflicht und ohne Anweisung erstellt, unterfällt das Werk allerdings nicht dem § 69 b Urhebergesetz (vergleiche Klass, Das Urheberrecht in Arbeits- und Dienstverhältnis, GRUR 2019, 1103).
Wie relevant solche Fragestellungen in der Praxis werden können, verdeutlicht unter anderem die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17.11.2020 zum Az. 5 Sa 152/19. Hier nutzte eine ausgeschiedene Arbeitnehmerin betriebseigene Excel-Tabellen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung von Biogasanlagen, was der klagende Arbeitgeber mit einer Schadensersatzforderung gegen die Arbeitnehmerin zu unterbinden versuchte. Die für den Vertrieb von Biogasanlagen erforderlichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen erstellte die beklagte Arbeitnehmerin mithilfe von umfangreichen Excel-Tabellen im klagenden Arbeitgeberbetrieb und entwickelte diese fortlaufend weiter. Das klagende Unternehmen machte schließlich in sechsstelliger Höhe Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Ex-Mitarbeiterin geltend auf Basis sämtlicher in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, insbesondere nach dem UWG und Urhebergesetz. Die Beklagte setzte sich demgegenüber mit dem Argument zur Wehr, sie schulde deshalb keinen Schadensersatz, weil dem klagenden Unternehmen kein Schaden entstanden sei. Sie habe die Excel-Tabellen zwar benutzt, jedoch diese dem klagenden Unternehmen nicht entzogen. Der Betrieb habe mit den Wirtschaftlichkeitsberechnungen weiterhin jederzeit arbeiten können.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage daraufhin abgewiesen. Die Klägerin könne weder nach § 9 UWG noch nach § 97 UrhG Schadensersatz von der Beklagten verlangen. Ein Anspruch nach § 9 UWG scheitere daran, dass die Beklagte keine Mitbewerberin der Klägerin gewesen sei. Mitbewerberin sei auch nicht die neue Arbeitgeberin der Beklagten, da diese keine Biogasanlagen errichte, sondern Ingenieursleistungen erbringe. Einem Anspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG stehe entgegen, dass das Vorbringen der Klägerin nicht genüge, um einen Schaden im Wege der Lizenzanalogie feststellen und berechnen bzw. schätzen zu können. Das Landesarbeitsgericht schloss sich diesen Erwägungen an. Die Klage blieb also auch in zweiter Instanz im Ergebnis erfolglos.
Die Klägerin hatte somit gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz eines Schadens im Wege der Lizenzanalogie sowie von Rechtsanwaltskosten aus § 9 UWG, aus § 97 Abs. 2 UrhG, aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 17 UWG a. F., § 826 BGB bzw. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dabei scheiterten etwaige UWG-Ansprüche bereits an einer fehlenden Mitbewerber-Stellung der Beklagten; auch nach den übrigen potenziellen Anspruchsgrundlagen war schließlich kein ersatzfähiger Schaden festzustellen. Denn ersatzfähig sei stets nur der Schaden, der dem Verletzten tatsächlich entstanden sei. Schadensersatz diene schließlich nicht der Abschreckung, Bestrafung oder Genugtuung, so das LAG in seinen Kernerwägungen. Zwar habe die Beklagte Mitarbeiterin die Rechte des klagenden Unternehmens verletzt, dem Unternehmen sei daraus jedoch kein ersatzfähiger Schaden entstanden.
Diese Erwägungen zeigen, welch hohe Voraussetzungen schließlich an einen erfolgreich durchsetzbaren Schadensersatzanspruch zu stellen sind. Für die Praxis kann die daraus abzuleitende Empfehlung daher nur sein, bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages bereits offensiv Rechte und Pflichten klar zu definieren und Regelungen zu etwaigen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen in die vertraglichen Vereinbarungen mit aufzunehmen, um derartige Probleme möglichst von vornherein zu vermeiden.
Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen sind die Juristen des Arbeitgeberverbandes Oldenburg den Mitgliedsunternehmen jederzeit gern behilflich.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 19 "Der Mitarbeiter geht - wem gehört das Arbeitsergebnis?" im Mitgliederportal.
- Autor: Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin (BMWA) Verena Albrecht
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