Arbeitsrecht
April 2022 Aufhebungsvertrag und das Gebot fairen Verhandelns
veröffentlicht am 01.04.2022
Der Ausspruch einer Kündigung ist häufig der Anfang von Rechtsstreitigkeiten, die beide Arbeitsvertragsparteien nicht unbedingt wollen. Als Alternative zur Kündigung kann daher für beide Seiten der Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine attraktive Option sein, um das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne streitige Auseinandersetzung zu beenden.
Natürlich kommt es aber auch bei Aufhebungsverträgen immer wieder vor, dass bei einer Partei - in der Regel bei dem Arbeitnehmer - im Nachhinein die Vertragsreue einsetzt und dann der Versuch unternommen wird, den als nachteilig empfundenen Aufhebungsvertrag gerichtlich wieder beseitigen zu lassen. Die Möglichkeiten zur nachträglichen Beseitigung einer Aufhebungsvereinbarung sind jedoch nur unter engen Voraussetzungen gegeben.
Der Widerruf eines Aufhebungsvertrages ist nach der Rechtsprechung des BAG nicht möglich (BAG Urteil vom 07.02.2019 - 6 AZR 75/18). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages auch nicht über ein solches Widerrufsrecht zu belehren hat.
Ebenfalls die Ausnahme, aber möglich ist eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages, vor allem in Fällen von Täuschung oder widerrechtlicher Drohung. Ob der Arbeitgeber rechtswidrig oder noch legitim droht, ist eine Frage der Umstände. Droht der Arbeitgeber eine Kündigung an, falls der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, ist Rechtswidrigkeit nur dann gegeben, wenn ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer solchen Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeber nach seinem subjektiven Wissenstand davon ausgehen muss, dass die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird.
Die Drohung mit einer Strafanzeige, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen, ist ebenfalls keine rechtswidrige Drohung, wenn ein verständiger Arbeitgeber annehmen darf, dass der Mitarbeiter Straftaten begangen hat.
Das BAG hatte sich erst kürzlich mit der Bewertung einer solchen "Drucksituation" bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu befassen. Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, der überraschend ein Aufhebungsvertrag vorgelegt worden war. Sie war zu einem Gespräch im Betrieb gebeten worden, deren Inhalt nicht angekündigt worden war. Der Arbeitgeber hatte zu diesem Gespräch seinen Rechtsanwalt hinzugezogen und hielt der Arbeitnehmerin strafrechtlich relevante Verfehlungen (Vorwurf: Manipulation von Einkaufsdaten) vor. Zugleich legte er einen Aufhebungsvertrag zur Unterzeichnung an Ort und Stelle vor und drohte für den Fall der Nichtunterzeichnung den Ausspruch einer fristlosen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige an. Eine Bedenkzeit wurde nicht eingeräumt. Die Arbeitnehmerin unterzeichnete den Aufhebungsvertrag nach etwa 10 Minuten, erklärte jedoch kurz darauf die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung und berief sich zudem auf einen Verstoß gegen das vom BAG entwickelte Gebot fairen Verhandelns.
In der Entscheidung vom 24.02.2022 (6 AZR 333/21) hat das BAG die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags und somit die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Das Gericht wies zunächst darauf hin, dass der Aufhebungsvertrag nicht aufgrund einer widerrechtlichen Drohung zustande gekommen ist und die Anfechtung somit ins Leere geht. Die Erfurter Richter haben betont, dass ein verständiger Arbeitgeber sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Gegen die Klägerin bestanden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese sich wegen Untreue und versuchten Betruges strafbar gemacht hat.
Ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns ist nach Auffassung des BAG hier ebenfalls nicht ersichtlich. Anknüpfend an die Grundsatzentscheidung vom 07.02.2019 (6 AZR 75/18) hat das BAG betont, dass ein Pflichtverstoß nur dann zu bejahen ist, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation aufbaue, die eine freie und bewusst überlegte Entscheidung der Gegenpartei verhindere bzw. unmöglich mache. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen geschehen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung).
Das Gebot fairen Verhandelns verpflichtet den Arbeitgeber laut BAG aber nicht, eine für den Vertragspartner besonders angenehme Verhandlungssituation zu schaffen. Es geht vielmehr um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses.
In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze haben die Erfurter Richter festgestellt, dass die Arbeitgeberseite im Zuge der Verhandlungen über den Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht unfair verhandelt und somit nicht gegen die Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Das BAG hat hervorgehoben, dass die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin vorliegend nicht dadurch verletzt worden ist, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme ohne Bedenkzeit unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.
Das BAG hat zudem klargestellt, dass ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns auch nicht dadurch begründet wird, wenn der Arbeitgeber in dem Gespräch einen Rechtsanwalt hinzuzieht, wohingegen der Arbeitnehmer selbst keinen Rechtsbeistand hinzuziehen oder auch konsultieren kann.
Nach Auffassung des BAG liegt auch keine unzulässige Überrumpelung vor, wenn das Gespräch während der Arbeitszeit im Betrieb geführt wird, da der Arbeitnehmer damit rechnen muss, dass er während der Arbeitszeit auf Änderungs- oder Aufhebungsverträge angesprochen wird, wenn er zum Personalgespräch gerufen wird. Ein Verstoß kann laut BAG auch nicht daraus resultieren, wenn dem Arbeitnehmer zu Beginn des Gespräches sofort der Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung vorgelegt wird und dazu im Vorfeld bei der Einladung zum Gespräch kein Hinweis erfolgt ist.
Bewertung
Die bisher vom BAG und von einigen LAG zur Entscheidung gekommenen Fälle zeigen, dass das Gebot fairen Verhandelns zumindest kein zum leichten Erfolg führendes Werkzeug im Arsenal reuiger Arbeitnehmer ist. Die für einen hinreichenden Verstoß aufgestellten Anforderungen sind hoch, d.h. der Arbeitgeber muss sich schon in einer arg zu missbilligenden Art und Weise verhalten. Zudem trifft die (primäre) Darlegungslast sowie vor allem die Beweis-last den Arbeitnehmer. Dementsprechend wurde ein Verstoß bisher auch fast nie bejaht.
Erwähnenswert ist noch, dass das Gebot fairen Verhandelns von seinem Anwendungsbereich her nicht nur auf Aufhebungsverträge beschränkt ist, sondern unter Umständen auch in Zusammenhang mit anderen Vereinbarungen, wie Schuldversprechen oder Änderungsverträgen eine Rolle spielen kann.
Selbstverständlich helfen die Juristinnen und Juristen des Verbandes gerne den Mitgliedern bei allen mit der Thematik verbundenen Fragestellungen. Rufen Sie uns bei Bedarf gerne an.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 18 "Aufhebungsvertrag und das Gebot fairen Verhandelns" im Mitgliederportal.
- Autor: Rechtsanwältin Ruth Wreesmann
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