Dezember 2019
Probleme mit dem Arbeitszeugnis als Dauerbrenner
veröffentlicht am 02.12.2019
Das Arbeitszeugnis wirft in der Praxis viele Fragen auf. Die hierzu ergangene Rechtsprechung mutet bisweilen skurril an. Der Arbeitgeber muss sich auf dem schmalen Grat zwischen Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit bewegen; so genannte "Kuschelnoten" muss er nicht erteilen. Die Wahrheitspflicht ist der bestimmende und oberste Grundsatz des Zeugnisrechts – jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Auf der anderen Seite darf das Arbeitszeugnis nicht das Fortkommen des Arbeitnehmers unnötig erschweren und insoweit gilt der Grundsatz des "Wohlwollens".
Ein Arbeitszeugnis über Art und Dauer der Tätigkeit sowie Leistung und Verhalten gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Gewerbeordnung dient dem Arbeitnehmer als Bewerbungsunterlage. Diesem Zweck entsprechend soll es dem Arbeitnehmer als verbindliche Erklärung und Teil seiner Arbeitspapiere für künftige Bewerbungen dienen und sein Fortkommen nicht unnötig erschweren. Ein Zeugnis darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Dabei sind nicht die Vorstellungen des Zeugnisverfassers maßgeblich, sondern alleine der objektive Empfängerhorizont des Zeugnislesers. Im Rahmen des Gebots der Zeugnisklarheit gemäß § 109 Abs. 2 der Gewerbeordnung ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (Zeugniswahrheit). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Maßstab ist derjenige eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers. Auch darf ein Zeugnis dort keine Auslassungen enthalten, wo ein verständiger Leser eine positive Hervorhebung erwartet. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale hat damit der Arbeitnehmer, in dessen Berufskreis dieses üblich ist und bei dem das Fehlen eine entsprechende Aussage im Zeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte.
Zur Leistungsbeurteilung im Zeugnis hat das Bundesarbeitsgericht bereits vor rund 4 Jahren (Urteil des 9. Senats vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13) klargestellt, dass der Arbeitgeber primär die Leistung zu beurteilen hat. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Leistungsbeurteilung, muss er im Rahmen eines Zeugnisrechtsstreits eine entsprechende Leistung vortragen und gegebenenfalls auch beweisen. Dieses gilt selbst dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute oder sehr gute Endnoten vergeben werden.
Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers in einer Schlussformel, z. B. Dank für die Zusammenarbeit, gehören nicht zum erforderlichen Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
Abschließend sei auf die klassische Frage eingegangen, ob eine Betriebsratstätigkeit im Zeugnis aufzuführen ist. Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Nürnberg vom 11.10.2018 (5 Sa 100/18) kann eine Betriebsratstätigkeit dann im Zeugnis erwähnt werden, wenn dem Arbeitgeber aufgrund der Dauer eine Leistungsbeurteilung nicht möglich ist. Im Hinblick auf die Schlussformulierung bekräftigt das Gericht nochmals, dass der Arbeitnehmer diese entweder akzeptieren kann oder nicht. Entscheidet er sich für letzteres, so kann er lediglich die Herausnahme der gesamten Schlussformulierung verlangen.
Insgesamt betrachtet verbleibt es dabei, dass die Rechtsprechung Arbeitgeber – zur Vermeidung langwieriger und gegebenenfalls teurer Zeugnisrechtsstreitigkeiten – gegebenenfalls dazu veranlasst, ein Zeugnis sehr wohlwollend – und in der Sache gegebenenfalls nicht zutreffend – auszustellen. Dieses muss dem Leser eines Zeugnisses bewusst sein. Im Ergebnis wird das Zeugnis hierdurch nicht selten entwertet.