Arbeitsrecht
Oktober 2019 Nachweisprobleme bei einer Kündigung per "Einwurf-Einschreiben"
veröffentlicht am 01.10.2019
Bei einer Kündigung im Arbeitsrecht stellt sich oft die Frage, wann die Kündigung zugegangen ist und zu welchem Datum die Kündigung dann wirksam wird. Wer die Kündigung erklärt, muss immer häufiger damit rechnen, dass der Kündigungsempfänger den Zugang der Kündigung in einem Kündigungsschutzverfahren bestreitet. Die Beweislast vor Gericht trifft dann den Kündigungserklärenden, d. h. den Arbeitgeber.
Für eine vermeintlich rechtssichere Zustellung der Kündigung wählen Unternehmen häufig die Übermittlungsform des so genannten "Einwurf-Einschreibens" durch die Deutsche Post AG. Der Vorteil wird darin gesehen, dass der Einwurf in den Briefkasten vor Ort durch den Briefzusteller vorgenommen wird und der Arbeitgeber anschließend einen Beleg als Nachweis für den Einwurf erhält.
Dazu hat jedoch kürzlich das Arbeitsgericht Reutlingen entschieden, dass die Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbeleges eines "Einwurf-Einschreibens" durch den Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozess keinen Beweis für den Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer darstellt.
In dem zu entscheidenden Fall kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit. Die Zustellung des Kündigungsschreibens erfolgte durch Einwurf-Einschreiben. Der Arbeitnehmer behauptete, dass ihm das Kündigungsschreiben nicht zugegangen sei, mithin das Arbeitsverhältnis nicht während der Probezeit durch das Kündigungsschreiben beendet worden sei. Er erhob Kündigungsschutzklage und die Richter gaben ihm recht.
Das Arbeitsgericht Reutlingen vertritt in seiner Entscheidung vom 19.03.2019 (7 Ca 89/19) die Auffassung, dass die Vorlage des Einlieferungs- und Auflieferungsbeleges eines Einwurf-Einschreibens keinen Anscheinsbeweis nach § 418 ZPO für den Zugang des Kündigungsschreibens begründet. Das heißt: Der Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg ist nach Auffassung des Gerichts kein ausreichendes Beweismittel.
Begründet haben die Richter dies u. a. damit, dass Erfahrungen im Gerichtsalltag als auch im privaten Bereich zeigen, dass Postzustellungen nicht selten nicht zugestellt würden oder Abläufe nichtzutreffend von den Zustellern dokumentiert würden. Das damit einhergehende Risiko der Nichtzustellung könne nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden, wenn der Arbeitgeber als Zustellart das "Einwurf-Einschreiben" gewählt hat. Denn, so die Richter, der Arbeitnehmer kann keinen Nachweis dafür führen, dass ihm das Kündigungsschreiben nicht zugegangen ist.
Im vorliegenden Fall wurde der Kündigungsschutzklage daher stattgegeben, das Arbeitsverhältnis bestand über die Probezeit hinaus weiter fort. Dadurch, dass der Arbeitgeber nicht beweisen konnte, dass dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen war, wurde das Arbeitsverhältnis nicht wirksam während der Probezeit beendet.
Gegen das Urteil des Arbeitsgericht Reutlingen ist vom Arbeitgeber Berufung eingelegt worden. Ob die Argumentation des Arbeitsgerichts einer rechtlichen Überprüfung standhält, ist noch offen. Eine höchstrichterliche Entscheidung des BAG zum Beweiswert des Einlieferungs- und des Auslieferungsbeleges in einem Kündigungsschutzverfahren gibt es derzeit noch nicht.
Dennoch ist Ihnen als Arbeitgeber vor dem Hintergrund dieses Urteils dringend anzuraten, zukünftig von der Zustellung einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben abzusehen. Eine persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens im Beisein eines Zeugen oder der Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers durch einen Boten, der als Zeuge namentlich benannt werden kann, ist eine deutliche sicherere Zustellungsvariante. Die persönliche Zustellung vermeidet insbesondere unnötige Risiken im Prozess – vor allem bei fristgebundenen Personalmaßnahmen, wie z.B. der Probezeitkündigung.
Für weitergehende Rückfragen stehen Ihnen die Juristen unseres Verbandes selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.
- Autor: Rechtsanwältin Ruth Wreesmann
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