Die aus Arbeitnehmersicht entspannte Arbeitsmarktlage bringt es mit sich, dass häufiger Mitarbeiter versuchen, Kündigungen zu provozieren, sei es um Abfindungen herauszuschlagen, sei es um Sperrfristen zu vermeiden oder sei es auch aus anderen Gründen. Dabei kann es dann dazu kommen, dass Arbeitgeber, die zunächst einmal die Kündigung ausgesprochen haben, diesen Weg nicht mehr weitergehen und die Kündigung "zurücknehmen".
Technisch gesehen kann man zunächst einmal eine Kündigung nicht "zurücknehmen". Richtigerweise "leitet" man aus der Kündigung "keine Rechte mehr her" und "bietet" dem Arbeitnehmer "eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen" an.
Im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens hat das LAG Hamm mit Urteil vom 03.06.2019 zum Az. 5 Ta 195/19 noch einmal herausgearbeitet, dass mit einer "Rücknahme" einer Kündigung das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung einer Kündigungsschutzklage nicht entfällt. Der Arbeitnehmer kann das Verfahren fortsetzen. Das ist in der Praxis allerdings eine höchst ungewöhnliche Ausnahme.
Erklärt der Arbeitgeber die Kündigungsrücknahme, so liegt darin das Vertragsangebot an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht als beendet anzusehen. Der Arbeitnehmer ist frei, dieses Angebot nicht anzunehmen. Nimmt er ist nicht an, verbleibt es weiterhin bei der Kündigung.
Der Kläger kann insofern Interesse an der Aufrechterhaltung des Verfahrens haben, als ihm bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Möglichkeit offensteht, einen Auflösungsantrag verbunden mit einem Antrag auf Festlegung einer Abfindung zu stellen. Dafür muss der Arbeitnehmer darstellen, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Das ist nicht ohne Weiteres der Fall.
Gleichwohl entsteht so natürlich ein Risiko für den Arbeitgeber, der eigentlich kein Interesse mehr an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat. Will der Arbeitgeber dieses Risiko ausräumen, so bleibt ihm die Möglichkeit, das Verfahren durch ein prozessuales Anerkenntnis zu beenden.
Eine weitere mit einer Kündigungsrücknahme verbundene Frage ist, ob der Arbeitnehmer, der sich auf dieses Angebot nicht einlässt, Ansprüche aus Annahmeverzug gegen den Arbeitgeber geltend machen kann. Gewinnt ein Arbeitnehmer einen Kündigungsschutzprozess, so kann er in aller Regel unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges auch eine Vergütung für den Zeitraum zwischen der "Wiedereinstellung" nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess und dem Auslaufen der Kündigungsfrist verlangen.
Nach § 11 KSchG muss sich der Arbeitnehmer allerdings anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Natürlich muss jeweils der Einzelfall gewürdigt werden. Die Kündigungsgründe und die Prozessführung können durchaus dazu führen, dass es dem Arbeitnehmer unzumutbar ist, die Arbeit wieder aufzunehmen. Das ist allerdings nicht zwingend der Fall, sodass die Erklärung, aus einer Kündigung keine Rechte mehr herleiten zu wollen, die Risiken erheblich zugunsten des Arbeitgebers verschiebt.
Gerne helfen die Juristen des Verbandes den Mitgliedsunternehmen bei der Analyse der jeweiligen Situation und etwaiger Handlungsoptionen.