Arbeitsrecht
Februar 2019 Neue BAG-Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung 2019
veröffentlicht am 04.02.2019
Vor gut einem halben Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Erleichterung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) im Wesentlichen verfassungswidrig ist (s. unser Arbeitsrechtliches Thema Juli 2018).
Aufgrund dieser Entscheidung des BVerfG musste das BAG seine bisherige Linie korrigieren und hat das mit einem Urteil vom 23.01.2019 (7 AZR 733/16) auch getan.
§ 14 Abs. 2 TzBfG erlaubt bei Neueinstellungen bekanntermaßen die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen Sachgrund, und zwar bis zu einer Dauer von zwei Jahren. Für längere Befristungen bzw. Befristungsketten sind sachliche Gründe erforderlich.
Der § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG enthält zudem das so genannte "Vorbeschäftigungsverbot", wonach keine sachgrundlose Befristung mehr möglich sein soll, wenn "mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat".
Während das BAG in der Vergangenheit entgegen dem Wortlaut der Norm eine erleichterte sachgrundlose Befristung dann als zulässig erachtet hat, wenn zwischen den Parteien mehr als drei Jahre lang kein Arbeitsverhältnis bestand, wurde diese Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 nunmehr ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG aufgegeben.
In dem vom BAG entschiedenen Streitfall ging es um einen Metallfacharbeiter, der bereits vom 19.03.2004 bis zum 30.09.2005 und damit gut 1 ½ Jahre als gewerblicher Arbeitnehmer bei dem beklagten Automobilproduzenten gearbeitet hatte. Danach trennten sich die Wege der Parteien für knapp 8 Jahre, bis der Arbeitnehmer erneut bei seinem Ex-Arbeitgeber als Facharbeiter im Bereich "Produktion und Logistik" eingestellt wurde, und zwar sachgrundlos befristet vom 19.08.2013 bis zum 28.02.2014. Nach drei weiteren Verlängerungen endete dieses Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des 18.08.2015, d.h. es hatte eine Dauer von genau 2 Jahren.
Der Arbeitnehmer wollte sich diese Befristung nicht gefallen lassen und erhob Entfristungsklage, die in allen drei Instanzen Erfolg hatte. Das BAG hat dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen und unter Aufgabe seiner bisherigen Linie entschieden, dass die erneute sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages vorliegend dem Ersteinstellungsgebot widerspricht, da der Mitarbeiter bereits 8 Jahre zuvor bei demselben Arbeitgeber tätig war.
Das BVerfG hatte von den Gerichten für Arbeitssachen zwar eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verlangt und klargestellt, dass "sehr lange" zurückliegende Vorbeschäftigungen einer kalendermäßig befristeten Ersteinstellung auch zukünftig nicht entgegenstehen dürfen. Das BVerfG hat dabei allerdings nicht bestimmt, wann konkret eine Vorbeschäftigung "sehr lange" zurückliegt.
Das BAG hat diesbezüglich im streitgegenständlichen Fall jedenfalls einen Zeitraum von immerhin 8 Jahren nicht für genügend erachtet, um eine erneute sachgrundlose Befristung zuzulassen. Daraus lässt sich ableiten, dass für eine mögliche Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zukünftig kaum noch Fallkonstellationen vorstellbar sind, so dass die vom BVerfG selbst geforderte verfassungskonforme Auslegung in der betrieblichen Praxis als nicht praktikabel erscheint.
Enttäuschend ist außerdem, dass das BAG der Beklagten im Streitfall keinen Vertrauensschutz gewährt hat. Die Begründung, dass der Arbeitgeber bei Neuabschluss des Vertrages im Sommer 2013 in Betracht ziehen musste, dass die vom BAG vorgenommene Auslegung im Jahre 2011 vor dem BVerfG keinen Bestand haben könne, ist nicht nachvollziehbar und vor allem mit dem an sich anerkannten Grundsatz des Vertrauensschutzes kaum mehr zu vereinbaren.
Fazit: In Anbetracht dieser aktuellen Änderung der BAG-Rechtsprechung sollte zukünftig aus Gründen der Rechtssicherheit generell auf eine erneute sachgrundlose Befristung verzichtet werden, wenn der Arbeitnehmer bereits in der Vergangenheit bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Zum heutigen Zeitpunkt ist nicht verbindlich erkennbar, ab wann die Gerichte von einem "lange zurückliegenden" Arbeitsverhältnis ausgehen und eine mögliche Abweichung vom Vorbeschäftigungsverbot zulassen.
- Autor: Rechtsanwältin Ruth Wreesmann
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