Wie ein Lauffeuer geht eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.2021 zum Az. 9 AZR 225/21 nicht nur durch die Fach-, sondern sogar durch die Tagespresse. Dabei liegt bislang lediglich eine Pressemitteilung vor. Die Urteilsgründe sind also noch nicht im Detail bekannt.
Nach der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts kann bei der Berechnung des Jahresurlaubs berücksichtigt werden, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen. Aufgrund einzelvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung (insoweit Entscheidung vom selben Tag zum Az. 9 AZR 234/21) wirksam vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Deshalb kann die schon aus anderem Zusammenhang bekannte Umrechnungsformel (bezogen auf den gesetzlichen Mindesturlaub: 24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht : 312 Werk-tage, Rechtsprechung des Senats vgl. BAG 19.03.2019 - 9 AZR 406/17 - (Sonderurlaub); 24.09.2019 - 9 AZR 481/18 - (Altersteilzeit)) angewandt werden. Im konkreten Fall hat das Bundesarbeitsgericht bei Zugrundelegung von 3 Monaten, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen war, einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstage ermittelt (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeits-pflicht : 312 Werktage). Die geringe Zahl ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin in Teilzeit beschäftigt war (3-Tage-Woche).
Da der Arbeitgeber 11,5 Arbeitstage gewährt hatte, kam es nicht darauf an, ob die Kurzarbeit in den weiteren Monaten November und Dezember 2020, in denen jeweils einige wenige Tage gleichwohl gearbeitet worden war, noch zu einer weiteren Kürzung berechtigt hätten. Hierzu ist der Pressemitteilung nichts zu entnehmen. Ob aus den Urteilsgründen Rückschlüsse hergeleitet werden können, bleibt abzuwarten.
Die bislang in anderen, allerdings durchaus vergleichbaren Zusammenhängen verwendete Klausel (s. o. Sonderurlaub, Altersteilzeit, darüber hinaus auch bei Teilzeit, insbesondere bei Wechseln im Urlaubsjahr) scheint sich also allgemein durchzusetzen.
In komplexeren Situationen, insbesondere bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses im laufenden Urlaubsjahr, stellt sich dann die Frage, wie die verschiedenen Kürzungsmöglichkeiten zusammenwirken.
Auf eine Kürzung wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann die Klausel nicht angewendet werden. Bei einer Beendigung in der ersten Jahreshälfte ist § 5 BUrlG anzuwenden. Bei der Beendigung in der zweiten Jahreshälfte gilt der Grundsatz, dass der Jahresurlaub mit Jahresbeginn für das ganze Jahr entstanden ist, § 5 BUrlG nicht angewandt werden kann und damit der Urlaubsanspruch ungekürzt besteht. Eine Zwölftelung für den Fall einer Beendigung in der zweiten Jahreshälfte kann zwar wirksam vereinbart werden, muss aber den Mindesturlaub vollständig bestehen lassen.
Kommen beide Situationen zusammen, ist zunächst aufgrund der oben genannten Formel der vollständige Jahresurlaub zu berechnen. Legt man die Zahlen des entschiedenen Falles zugrunde, also einen Jahresurlaub von 10,5 Tagen, hätte dies bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2020 dazu geführt, dass ein Urlaubsanspruch von 5/12 von 10,5 Tagen, also in Höhe von 4,375 Tagen besteht. Eine Aufrundung findet ebenso wenig statt wie eine Abrundung. Für eine Aufrundung fehlt die Voraussetzung, dass der restliche Urlaubstag mindestens einen halben Urlaubstag umfasst. Für eine Abrundung fehlt es an einer Regelung.
Selbstverständlich helfen die Juristinnen und Juristen des Verbandes den Mitgliedern gerne bei allen damit verbundenen Fragestellungen.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 14 "Kürzungen des Jahresurlaubs" im Mitgliederportal.