November 2020
Fallstricke bei der Gestaltung von Sozialplänen
veröffentlicht am 02.11.2020
Leider ist in der nächsten Zeit in vielen Unternehmen mit betriebsbedingten Entlassungen zu rechnen, die unter bestimmten Voraussetzungen durch den Abschluss von Sozialplänen mit Abfindungsansprüchen für die entlassenen Mitarbeiter begleitet werden.
Mit welchen Fallstricken die Gestaltung von Sozialplänen verbunden sein kann, zeigt die aktuelle Entscheidung des BAG vom 28.07.2020 zum Az. 1 AZR 590/18.
In diesem Fall hat ein betroffener Arbeitnehmer, für den der Arbeitgeber eine Abfindung i.H.v. 39.719 € errechnet hatte, noch einen weiteren Betrag i.H.v. 60.281 € zuzüglich Zinsen für zwei Jahre erstreiten können, einschließlich Zinsen also einen Betrag erkennbar über 100.000 €.
Hintergrund des Rechtsstreites ist der Versuch, die Abfindungen für sogenannte rentennahe Mitarbeiter zu deckeln.
Den vereinbarten allgemeinen Deckel, eine Obergrenze von 100.000 € für jede Abfindung, hat das BAG nicht beanstandet. Es hatte allerdings auch keinen Grund, sich damit näher auseinanderzusetzen, weil der Kläger seine Forderung auf diesen Betrag begrenzt hat.
Die gesonderte Berechnung der Abfindungshöhe für rentennahe Mitarbeiter billigt das Bundes-arbeitsgericht ebenfalls. Die Pauschalierung des Ausgleiches für das bis zum Renteneintritt entfallende Arbeitsentgelt ist zulässig. Ein Mitarbeiter, der nach 30 Jahren Beschäftigungsdauer ein halbes Jahr früher das Arbeitsverhältnis beenden muss und entsprechend vorzeitig in Rente geht, muss nicht genauso behandelt werden wie ein Mitarbeiter, der mit 16 Jahren angefangen ist und nach 30 Jahren Beschäftigungsdauer noch ein langes Erwerbsleben vor sich hat.
Das Problem steckt im Detail. Der abgeschlossene Sozialplan stellt bei der Bemessung auf den frühestmöglichen Renteneintritt ab und berücksichtigt dabei nicht hinreichend, dass schwerbehinderte Menschen gemäß § 236a Abs. 1 S. 2 SGB VI zu einem früheren Zeitpunkt Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen können als nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer.
Darin hatte das BAG schon in seiner Entscheidung vom 16.07.2019 eine unzulässige Ungleichbehandlung gesehen. In dem streitgegenständlichen Sozialplan wurde versucht, dies über zwei zusätzliche Teilbeträge für Schwerbehinderte zu kompensieren. Das hielt das Bundesarbeitsgericht aber für nicht ausreichend.
Das BAG stellt dann abschließend ausdrücklich klar, dass eine solche Konstellation eine zur Beseitigung der Diskriminierung erforderliche Anpassung nach oben mit sich zieht und selbst dann gerechtfertigt ist, wenn sie zu erheblichen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führt.
Bei der Aushandlung von Sozialplänen – gerne mit Unterstützung der Mitarbeiter des Arbeitgeberverbandes – ist also unbedingt darauf zu achten, dass diese der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegen. Die Gerichte überprüfen, ob die Sozialpläne – gleichgültig wie sie zustande gekommen sind – mit höherrangigem Recht wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar sind.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 2 "Diskriminierung durch einen Sozialplan" im Mitgliederportal.