Arbeitsrecht
Oktober 2020 Umfang der Unterrichtung des Betriebsrats vor einer beabsichtigten Kündigung
veröffentlicht am 01.10.2020
Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit seinem Urteil vom 07.05.2020 zum Aktenzeichen 2 AZR 678/19 erneut mit der Frage beschäftigt, welchen Umfang die Unterrichtung des Betriebsrats vor einer beabsichtigten Kündigung aufweisen muss.
Grundsätzlich ist der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG mitzuteilen. Eine ausgesprochene Kündigung ohne vorherige Anhörung, ja sogar selbst für den Fall einer fehlerhaften oder nicht vollständigen Anhörung, des Betriebsrats ist gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.
Im streitigen Fall wurde der Kläger nach Anhörung des Betriebsrats außerordentlich fristlos gekündigt und wandte sich hiergegen mit einer Kündigungsschutzklage. Im Wesentlichen monierte er neben dem Nichtvorliegen von Kündigungsgründen und der Nichtwahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB insbesondere die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.
Die Vorinstanzen haben der Klage jeweils stattgegeben. Anders sah es sodann das Bundesarbeitsgericht. Die Kündigung sei nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat weder über einen Sonderkündigungsschutz unterrichten noch weitere Ausführungen zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB machen müsse. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG richte sich nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts. Dieser bestehe darin, den Betriebsrat durch die Unterrichtung in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d.h. gegebenenfalls zu Gunsten des Arbeitnehmers, auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat solle die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Eine Anhörung soll dem Betriebsrat demgegenüber nicht die selbständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglichen. Gleiches gelte für die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Wahrung der Ausschlussfrist gehöre gerade nicht zu den „Gründen für die Kündigung“ im Sinne von § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Ein solches Erfordernis überdehne die Zwecke des Anhörungsverfahrens. Insofern reiche die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess.
Aus dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich für die betriebliche Praxis, dass die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung regelmäßig erhebliches Fehlerpotential mit sich bringen kann. Dem Betriebsrat sind alle notwendigen Informationen für dessen Aufgabenwahrnehmung mitzuteilen. Demgegenüber sind, wie die vorliegende Entscheidung beweist, einige Informationen nicht für den Betriebsrat im Rahmen des Anhörungsverfahrens von Relevanz, sodass diese fehlenden Informationen nicht zielführend moniert werden können.
Der Betriebsrat ist vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung grundlegend anzuhören. Es müssen hierbei keinerlei detaillierten Auskünfte zu einem bestehenden Sonderkündigungsschutz oder bezüglich der Wahrung der Kündigungserklärungsfrist im Falle einer außerordentlich fristlosen Kündigung mitgeteilt werden. Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist es ausschließlich, dass sich der Betriebsrat über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe ein eigenes Bild machen kann. Vor diesem Hintergrund sind Angaben ausschließlich dahingehend zu tätigen, dass der Betriebsrat in der Lage ist, eine Stellungnahme zur Kündigung abzugeben. Ein Mitteilungsumfang dahingehend, dass dem Betriebsrat die objektive Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglicht wird, kann nicht gefordert werden. Diesem schmalen Grad gilt es in der Praxis gerecht zu werden. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber diesen schmalen Grad erfolgreich beschritten und so viele Informationen wie nötig sowie so wenig wie möglich im Anhörungsverfahren preisgegeben. Soweit der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat allerdings freiwillig weitergehende Angaben macht, die für die beabsichtigte Kündigung von Bedeutung sind, müssen diese wahrheitsgemäß erfolgen.
Selbstverständlich helfen die Juristinnen und Juristen des Verbandes den Mitgliedern gerne bei allen damit verbundenen Fragestellungen.
- Autor: Rechtsanwalt Dr. Horst Röben
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