Arbeitsrecht
Juli 2021 Nachweisprobleme bei der Zustellung einer Kündigung - Teil II
veröffentlicht am 01.07.2021
Bereits unser arbeitsrechtliches Thema des Monats Oktober 2019 hat sich mit den Nachweisproblemen bei einer Kündigung per "Einwurf-Einschreiben" befasst.
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 17.9.2020/3 Sa 38/19) sowie hier zu bearbeitende Kündigungsrechtsstreite sind Anlass, sich noch einmal mit der Frage der rechtssicheren Zustellung einer Kündigung zu befassen.
Grundsätzlich gilt: Die Kündigung bedarf der Schriftform (§ 623 BGB) und sie ist vom Arbeitgeber (dessen Organen bzw. vertretungsberechtigten Personen (§ 174 BGB)) eigenhändig zu unterschreiben.
Die Kündigung muss sodann dem Empfänger beweisbar zu gehen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Die direkte Zustellung von Person zu Person. Diese Art der Zustellung ist sehr sicher und regelmäßig beweisbar (soweit die zustellende Person nicht gleichzeitig Organ der Gesellschaft ist, da diese Organe nicht gleichzeitig Zeugen sein können). Ein Protokoll sollte gefertigt werden. Diese Art der Zustellung ist zu empfehlen.
- Die Zustellung per Boten. Auch über einen beauftragten zuverlässigen Boten kann eine Kündigung beweisbar und sehr sicher zugestellt werden. Der Bote sollte bei der Kuvertierung des Kündigungsschreibens anwesend sein und die Zustellung beim Empfänger dokumentieren. Auch hier empfiehlt sich die persönliche Zustellung gegenüber dem Empfänger, ist dies nicht möglich, muss er das Kündigungsschreiben in den "Empfangsbereich" des Empfängers einbringen. Dies kann beispielsweise der Briefkasten sein. Unter Umständen kann auch die Übergabe an nahe Familienangehörige ausreichend sein. Der Bote sollte ein Protokoll fertigen und gegebenenfalls sogar Aufnahmen machen. Wichtig: Die Zustellung muss bei nicht persönlicher Übergabe zu den "üblichen Postzustellzeiten" erfolgen. Sonst gilt sie als am Folgetag zugestellt. Auch diese Art der Zustellung kann empfohlen werden.
- Die Zustellung per einfacher Post. Obwohl statistisch nur eine von 1 Million Postsendungen verloren geht, ist selbst die nachweisliche Einlieferung eines Briefes bei der Post für die Gerichte kein Beweis dafür, dass ein Kündigungsschreiben dem Adressaten zugeht. Diese Art der Zustellung kann definitiv nicht empfohlen werden.
- Die Zustellung per Einschreiben-Rückschein. Diese Art scheint sicher, ist sie aber nicht. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Empfänger von dem Postboten nicht angetroffen wird und daher der Empfang des Einschreibens auch nicht quittiert werden kann. Der Postbote hinterlegt einen Abholschein im Briefkasten. Die Kündigung gilt nicht als zugestellt. Der Empfänger kann den Brief binnen einer Frist von 14 Tagen von der Post abholen - er muss es aber nicht! Im Zweifel wird der Brief an den Arbeitgeber zurückgesandt, die Kündigung ist nicht zugestellt! Es besteht die Gefahr von Fristversäumnissen (z.B. bei der Kündigung aus wichtigem Grund oder bei der Kündigung einer schwerbehinderten Person mit Zustimmung der zuständigen Behörde), die Notwendigkeit des Ausspruchs einer neuen Kündigung mit einer neuerlichen Beteiligung von Arbeitnehmervertretungen und Behörden und neuen Kündigungsfristen. Auch diese Art der Zustellung ist nicht zu empfehlen.
- Die Zustellung per Einwurf-Einschreiben. Genau mit diesem Fall hatte sich das arbeitsrechtliche Thema des Monats Oktober 2019 befasst. Die seinerzeit geäußerten Zweifel an der Qualität einer derartigen Zustellung haben sich bewahrheitet. In dem von dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu entscheidenden Fall hat der Arbeitgeber sich zum Beweis des ersten Anscheins der Zustellung auf den sogenannten "Sendungsstatus" berufen. Dies reichte dem Landesarbeitsgericht nicht aus. Es sah den Beweis der Zustellung als nicht erbracht an. Offen ließ das Gericht die Frage, ob der Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs den Beweis des ersten Anscheins für den Zugang der Kündigung begründet. Auf dem Auslieferungsbeleg dokumentiert der Post-Mitarbeiter den Einwurf der Briefsendung in den Empfängerbriefkasten nach Datum und Uhrzeit. Nachdem der Beleg zentral eingescannt wird, wird er im Original vernichtet, er bleibt jedoch reproduzierbar. Der Absender kann gegen eine Gebühr einen Ausdruck des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs erhalten. Aber: Diesen Fall hatte das Gericht nicht entschieden. Ob ein reproduzierter Auslieferungsbeleg im Zusammenhang mit dem Einlieferungsbeleg ausreichend ist, ist nicht zu Gunsten der Arbeitgeber entschieden. Risiken trägt der Arbeitgeber. Diese Art der Zustellung ist daher ebenfalls nicht zu empfehlen.
Fazit: Kündigungen immer persönlich oder per Boten zustellen. Im Zweifel bitte im Verband nachfragen!
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 9 "Nachweisprobleme bei der Zustellung einer Kündigung" im Mitgliederportal.
- Autor: Rechtsanwalt Dr. Karsten Tech
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