Juni 2021
Urlaubsgewährung bei Kündigungen, auch bei fristloser Kündigung möglich?
veröffentlicht am 01.06.2021
In der arbeitsrechtlichen Praxis hat es sich nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber bewährt, den Arbeitnehmer freizustellen. Während dieser Freistellung muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht mehr erbringen, der Arbeitgeber zahlt die Vergütung jedoch fort. Diese Kosten nimmt der Arbeitgeber häufig in Kauf, um mögliche Unruhe im Unternehmen und mögliche Schäden durch fahrlässiges oder sogar bewusstes Fehlverhalten des gekündigten Arbeitnehmers zu verhindern. Damit diese Zeit der Freistellung für den Arbeitgeber so günstig wie möglich gestaltet werden kann, erfolgt diese regelmäßig unwiderruflich und unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche. Auf diese Weise kann es gelingen, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vollständig aufgezehrt werden.
Bei Ausspruch einer fristlosen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens unmittelbar. Der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Urlaubsanspruch muss vom Arbeitgeber abgegolten, d.h. vollständig ausbezahlt werden.
Insbesondere gegen eine außerordentliche Kündigung setzen sich die Arbeitnehmer in aller Regel gerichtlich zur Wehr. Diese Prozesse enden häufig mit Urteilen oder Vergleichen, in denen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht aufgrund der außerordentlichen Kündigung, sondern aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung festgestellt bzw. vereinbart wird.
Die Folge dieser Umwandlung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung ist, dass der Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung zwischen dem Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung und dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist verpflichtet wird. Weitere Folge der Umwandlung ist die Pflicht des Arbeitgebers, den bestehenden Urlaubsanspruch als Abgeltung auszuzahlen.
Die bisherigen Versuche der Arbeitgeber, diese Kostenlast bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung durch Einbringung des Urlaubsanspruchs zu verringern, scheiterten gerichtlich bisher allesamt. Zur Begründung wurde jeweils ausgeführt, dass die Unsicherheit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhindert, dass der Urlaub angerechnet werden kann.
Dies hat sich nunmehr durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.08.2020 (9 AZR 612/19) geändert.
Der Arbeitgeber hatte in diesem Fall auf dem Kündigungsschreiben erklärt:
"Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab.
Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes:
Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgeltes für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu."
Arbeitnehmer und Arbeitgeber hatten sich im gerichtlichen Verfahren später auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist in einem Vergleich geeinigt.
Später hatte der Arbeitnehmer für den Zeitraum der vermeintlichen Urlaubsgewährung die Gehaltszahlung (als sogenannten Annahmeverzugslohn) bei Gericht geltend gemacht.
Das Bundesarbeitsgericht hat aufgrund dieser konkreten Ausgestaltung des Kündigungsschreibens festgestellt, dass dieser Anspruch nicht besteht. Denn laut dem Gericht war dem Arbeitnehmer durch die konkrete Gestaltung des Kündigungsschreibens seitens des Arbeitgebers klar, dass er im Zeitraum vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 seine Arbeitsleistung nicht erbringen muss und trotzdem eine Vergütung hierfür (als Urlaubsentgelt) erhält. Die bestehende Unsicherheit des Arbeitnehmers, ob zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis fortbesteht oder nicht, war für das Gericht in dieser Konstellation nicht mehr relevant.
Durch die konkrete Ausgestaltung des Kündigungsschreibens konnte der Arbeitgeber daher sein Kostenrisiko erheblich verringern.
Es ist aufgrund der Erfahrungen mit der Rechtsprechung der Vergangenheit zu empfehlen, sich bei Ausspruch einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung exakt an die Formulierung aus diesem Rechtsstreit zu halten.
Auf diesem Weg können auch Sie Ihre Kostenlast so gering wie möglich halten.
Für den konkreten Fall stehen die Juristen vom Team des Arbeitgeberverbandes Oldenburg Ihnen gerne beratend zur Seite.