Juni 2020
Teure Konsequenzen bei Feststellung eines Arbeitsverhältnisses -<br>Vorsicht beim sozialversicherungs-<br>rechtlichen Status
veröffentlicht am 02.06.2020
Wird durch die Arbeitsgerichtsbarkeit festgestellt, dass das Dienstverhältnis eines freien Mitarbeiters sich in der Vergangenheit und für die Zukunft als Arbeitsverhältnis darstellt, ergeben sich daraus sowohl arbeits- als auch sozialversicherungsrechtlich eine Reihe von Abwicklungsfragen. Mit der Frage der arbeitsrechtlichen Rückabwicklung hatte sich das BAG in einer neueren Entscheidung zum Az. 5 AZR 178/18 zu befassen.
Da freie Mitarbeiter sich naturgemäß selbst für Alter und Versicherungsfälle abzusichern haben, ist in der Praxis die für freie Mitarbeit gezahlte Vergütung häufig dreimal so hoch wie die Vergütung, die für ein Arbeitsverhältnis bei gleicher Tätigkeit geschuldet würde. Das BAG hat in der zitierten Entscheidung entschieden, dass der Dienstnehmer die Differenz zwischen der geschuldeten Arbeitsvergütung zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der tatsächlich gezahlten Summe einschließlich Umsatzsteuer nach den Grundsätzen ungerechtfertigter Bereicherung an den Auftraggeber zurückzuzahlen hat, und zwar in den Grenzen von Verjährungs- und Verwirkungsvorschriften für die gesamte Dauer der Laufzeit des "freien Dienstverhältnisses". Ein "Entreicherungseinwand" des Auftragnehmers schien nicht ausgeschlossen, hierzu bedurfte es im Streitfall indes keiner konkreten Entscheidung.
Auch der Arbeitgeber schuldet für die gesamte Rückabwicklungszeit bis zur sozialversicherungsrechtlichen Verjährungsgrenze von vier Jahren nicht nur die Arbeitgeberanteile, sondern auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Dabei kann er den Beitragsanteil des Arbeitnehmers nach § 28g SGB IV grundsätzlich nur bei laufendem Vertragsverhältnis und nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden geltend machen, bei späteren Auszahlungsterminen darf der Abzug nicht nachgeholt werden. Ist das Vertragsverhältnis - wie im vom BAG entschiedenen Fall - bereits beendet, kann der Auftraggeber nach Beendigung überhaupt keine Rückerstattung der Arbeitnehmeranteile mehr verlangen.
Das BAG hat in der zitierten Entscheidung damit (erneut) aufgezeigt, dass Risiken für beide Seiten entstehen, wenn Arbeitskräfte unbedarft als freie Mitarbeiter eingestuft werden, obwohl aufgrund der Eingliederung und Einbindung in die Betriebsabläufe ein Arbeitsverhältnis und gegebenenfalls sozialversicherungsrechtlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen ist. Für die Abgrenzung hat die Rechtsprechung einen Kriterienkatalog entwickelt, der bei der praktischen Begutachtung weiterhilft.
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Autor:
Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin (BMWA) Verena Albrecht