Arbeitsrecht
Mai 2021 Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen
veröffentlicht am 01.05.2021
Einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem
Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig, soweit die grundgesetzlich garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht unzulässig eingeschränkt wird.
Damit wird in der Rechtsprechung das Interesse von Arbeitgebern berücksichtigt, eine vom
Arbeitgeber finanzierte Qualifikation grundsätzlich für ihren Betrieb nutzen zu können.
Bedauerlicherweise prüft die Rechtsprechung die Wirksamkeit solcher Rückzahlungsklauseln nach einem sehr strengen Maßstab, der immer wieder für Überraschungen bei den betroffenen Arbeitgebern sorgt.
Weil Rückzahlungsklauseln der Prüfung nach dem Recht für allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen, müssen sie völlig losgelöst vom konkreten Einzelfall so formuliert sein, dass keine Situation erfasst wird, die von der Rechtsprechung für ungerechtfertigt gehalten wird. Die Klausel wird dann nicht umgedeutet, sondern ist vollständig unwirksam. Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber wegen der Verwendung der unwirksamen Klausel auf seinen Investitionen sitzen bleibt, völlig unabhängig davon, ob der jeweilige Arbeitnehmer sich in einer derartigen Situation befand.
So wurde auch der Arbeitgeber in einem Verfahren überrascht, in dem das Landesarbeitsgericht Hamm ebenso wie die vorhergehende Instanz, das Arbeitsgericht Bielefeld, den Rückforderungsanspruch eines Arbeitgebers, eines ambulanten Pflegedienstes, in Höhe von ca. 12.000 € für die arbeitgeberfinanzierte Fortbildung zur Pflegedienstleitung abgewiesen hat (LAG Hamm - 1 Sa 954/20, Urteil vom 29.01.2021).
An sich schien der Arbeitgeber alles richtig gemacht zu haben. Eine Vereinbarung zur Weiterbildungsförderung war vor Beginn der Maßnahme abgeschlossen worden. Die Weiterbildungsmaßnahme diente dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers. Die Weiterbildungskosten waren ausreichend aufgeschlüsselt dargestellt worden. Der Bindungszeitraum von 24 Monaten war im Verhältnis zu den bei dem Arbeitgeber entstehenden Kosten angemessen.
Auch der Arbeitnehmer schien dies zunächst so gesehen zu haben. Er kündigte zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme mit der Bitte, ihm doch eine Rechnung der noch offenen Kosten zu stellen. Als ihm dann aber der Arbeitgeber die Rechnung aufmachte, setzte er sich zur Wehr.
Das LAG interessierte dabei nicht, weshalb der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis tatsächlich gekündigt hat. Die Motivation des Arbeitnehmers wird in den Urteilsgründen mit keinem Wort erwähnt.
Vielmehr prüfte das LAG die von dem Arbeitgeber verwendete Klausel:
"Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch die Gesellschaft zu vertretenden Grund oder durch Kündigung der Gesellschaft oder durch sonstige Vereinbarung aus einem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat, ist der Mitarbeiter verpflichtet, der Gesellschaft die nach § 2 gezahlte Vergütung und die nach § 3 dieser Vereinbarung von der Gesellschaft übernommenen Studienkosten zurückzuerstatten."
Dazu führt das LAG aus, dass eine Rückzahlungsklausel nur dann ausgewogen ist, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, der Rückzahlungsverpflichtung durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Hier sei kein Interesse der klagenden Arbeitgeberin zu erkennen, das es gerechtfertigt erscheinen lassen könnte, einen Arbeitnehmer auch für den Fall, dass er aus berechtigten personenbedingten Gründen - etwa bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit - nicht mehr in der Lage sei, der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit bis zum Ablauf der Rückforderungsfrist nachzukommen, durch die mit der Rückforderungsklausel verbundenen Bleibedruck zu zwingen, am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Bindungsdauer festzuhalten.
Die vorliegende Klausel bestimmt zwar für eine Kündigung des Arbeitgebers, dass sie die Rückzahlungsverpflichtung nur dann auslöst, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt ist, den der Mitarbeiter zu vertreten hat. Damit löst eine arbeitgeberseitige personenbedingte Kündigung keine Rückzahlungsverpflichtung aus. Für den Fall der Kündigung des Mitarbeiters gilt dies
jedoch nicht. Hier wird eine Rückzahlung nur dann ausgeschlossen, wenn die Kündigung des Mitarbeiters aus einem Grund erfolgt ist, den der Arbeitgeber zu vertreten hat. Das LAG Hamm sieht dies als ungerechtfertigt. Die Rückzahlungspflicht müsse auch für die personenbedingte Eigenkündigung ausgeschlossen sein.
Das LAG Hamm schließt sich damit einer Entscheidung des BAG vom 11.12.2018 an und geht über diese hinaus. In der vorgenannten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Fall entschieden, dass es jedenfalls bei einer arbeitsvertraglich vorgesehenen Suspendierung des Arbeitsverhältnisses infolge personenbedingter Gründe nicht gerechtfertigt sei, den Arbeitnehmer durch die bei einer Eigenkündigung ausgelöste Erstattungspflicht ohne Gegenleistung an das Arbeitsverhältnis zu binden. Die Besonderheit der seinerzeitigen Entscheidung des BAG bestand darin, dass das BAG an ungewöhnlicherweise im Arbeitsvertrag festgehaltene Konsequenzen anknüpfte.
Das LAG Hamm ist nunmehr der Auffassung, dass es auf diese Besonderheit nicht ankomme. Die Rückzahlungsverpflichtung müsse in jedem Fall auch für die personenbedingte Eigenkündigung ausgeschlossen sein.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist zugelassen und eingelegt worden. Insoweit wird abzuwarten sein, ob das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt.
Die Entscheidung zeigt noch einmal ganz deutlich, mit welchen Risiken Fortbildungsvereinbarun-gen verbunden sind. Es muss immer damit gerechnet werden, dass die getroffenen Regelungen unter einem (unerwarteten) Aspekt sich als unwirksam erweisen und der Arbeitgeber auf den Investitionen sitzen bleibt.
Insofern ist es dringend geboten, vor jeder neu abzuschließenden Fortbildungsvereinbarung noch einmal zu prüfen, ob diese dem aktuellen Stand der Rechtsprechung entspricht. Dabei sind die Mitarbeiter des Verbandes gerne behilflich.
Mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem AGV-Podcast Nr. 7 "Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen" im Mitgliederportal.
- Autor: Rechtsanwalt Christoph Schmedding
- Telefon: 0441 21027-71
- E-Mail: christoph.schmedding@agv-oldenburg.de