

Arbeitsrecht
April 2025 Die Entgeltabrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach
veröffentlicht am 01.04.2025
Die Entgeltabrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2025 – 9 AZR 48/24 –
Nunmehr überholte Rechtsprechung der Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. Januar 2024 – 9 Sa 575/23 – (siehe Arbeitsrechtliches Thema Juni 2024: Die Entgeltabrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach)
In einer Zeit, in der die Digitalisierung nahezu alle Bereiche des Arbeitslebens erfasst, stellt sich für viele Arbeitgeber die Frage, inwieweit das Zurverfügungstellen der Entgeltabrechnung modernisiert werden kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 28. Januar 2025 (9 AZR 48/24) nun einen wichtigen Beitrag zur Klärung dieser Frage geleistet und den Weg für eine umfassendere Digitalisierung im Bereich der Lohnabrechnung geebnet.
Zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung liegt lediglich die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vor. Die ausführlichen Entscheidungsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Es ist daher möglich, dass sich bei Analyse des vollständigen Urteiltextes noch weitere relevante Aspekte ergeben. Wir werden Sie informieren, sofern sich aus der detaillierten Urteilsbegründung wesentliches Weiteres ergibt.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung dient dem Schutz der Arbeitnehmer, indem sie Transparenz über die Zusammensetzung des Entgelts gewährleistet und die Möglichkeit bietet, die Richtigkeit der Abrechnung zu überprüfen.
Die zentrale Frage ist, ob und unter welchen Bedingungen diese gesetzliche Verpflichtung auch durch eine elektronische Bereitstellung erfüllt werden kann.
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte ein Einzelhandelsunternehmen auf Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung die Entgeltabrechnungen seiner Mitarbeiter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach zur Verfügung gestellt. Alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, wurden dabei über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt, von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Eine Mitarbeiterin widersprach dieser Praxis und verlangte weiterhin die Übersendung ihrer Abrechnungen in Papierform. Das LAG hatte angenommen, die Entgeltabrechnungen seien der Klägerin durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt worden.
Das BAG hat nun klargestellt: "Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt."
Diese Entscheidung enthält mehrere rechtliche Überlegungen:
- Holschuld-Prinzip: Das BAG betont, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltabrechnung eine so genannte Holschuld darstellt. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtung bereits erfüllt, indem er die Abrechnung bereitstellt, ohne für den tatsächlichen Zugang beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. In dieser Frage weicht das BAG von der bisherigen Rechtsprechung einiger Landesarbeitsgerichte, z.B. LAG Niedersachsen (s.o.), ab.
- Erfüllung der Textform: Die Bereitstellung der Abrechnung in einem digitalen Mitarbeiterpostfach erfüllt grundsätzlich die Anforderungen an die Textform gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO.
- Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen: Das Gericht weist darauf hin, dass der Arbeitgeber bei der elektronischen Bereitstellung die berechtigten Interessen derjenigen Beschäftigten berücksichtigen muss, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die ausführlichen Entscheidungsgründe des BAG noch nicht vorliegen, können Arbeitgeber folgende Optionen in Betracht ziehen:
- Sie können die Möglichkeit prüfen, Entgeltabrechnungen als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einzustellen.
- Es sind Vorkehrungen zu treffen, damit Beschäftigte ohne privaten Online-Zugang die Abrechnungen im Betrieb einsehen und ausdrucken können.
- Sie suchen vorbereitend den Dialog mit dem Betriebsrat, da Mitbestimmungsrechte bei der Einführung digitaler Abrechnungssysteme bestehen.
Die Entscheidung des BAG markiert einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung und Modernisierung im Arbeitsrecht. Sie bietet Arbeitgebern die Möglichkeit, ihre Prozesse effizienter zu gestalten und gleichzeitig den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Allerdings ist zu beachten, dass die konkrete Umsetzung sorgfältig geplant und die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden müssen.
Selbstverständlich unterstützen die Juristinnen und Juristen des Verbandes gerne alle Mitglieder bei den damit verbundenen Fragestellungen.
- Autor: Rechtsanwalt Benjamin Schulte-Sienbeck
- Telefon: 0441 21027-71
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