April 2020
Haftung des Arbeitgebers für freiwillige, aber fehlerhafte Auskünfte gegenüber Mitarbeitern
veröffentlicht am 01.04.2020
"Reden ist Silber - Schweigen ist Gold". An diese alte Redewendung wird man erinnert, liest man ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.02.2020 (3 AZR 206/18). Denn dieses Urteil befasst sich mit der Haftung des Arbeitgebers für freiwillige, aber fehlerhafte Auskünfte gegenüber Mitarbeitern.
Zugrunde lag dem Urteil eine vom Arbeitgeber organisierte und durchgeführte Informationsveranstaltung zur betrieblichen Altersversorgung im April 2003. Auf dieser wurden die Mitarbeiter über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Altersvorsorge über die Pensionskasse informiert. Ein Mitarbeiter schloss daraufhin eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Als er sich im Jahr 2015 seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen ließ, musste er aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten. Diese verlangte er nun im Rahmen einer Schadensersatzklage vom Arbeitgeber zurück. Wäre er über die beabsichtigte Gesetzesänderung zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung derartiger Leistungen aufgeklärt worden, hätte er eine andere Form der Altersvorsorge gewählt.
Das Arbeitsgericht Dortmund hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht Hamm gab der Klage statt.
Das Bundesarbeitsgericht hebt in seiner Entscheidung - und dies ist für die Praxis wichtig - folgendes hervor: Zwar sei der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, die Vermögensinteressen der Mitarbeiter zu wahren. Erteilt er aber dennoch (freiwillig) Auskünfte, dann müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Der Arbeitgeber hafte für Schäden, die aufgrund einer auch nur freiwillig erfolgten falschen Auskunftserteilung entstehen.
In diesem Einzelfall entschied das Bundesarbeitsgericht zu Lasten des Mitarbeiters und zu Gunsten des Arbeitgebers. Dies aber nur deshalb, weil die Sozialversicherungspflichtigkeit der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im April 2003 überhaupt nicht Gegenstand der Veranstaltung gewesen ist. Nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret über einen fraglichen Sachverhalt informiert, kann auch eine Schadensersatzpflicht wegen einer falschen Auskunft in Betracht kommen. Ohne Auskunft kann es auch keine Falschauskunft geben.
Hieraus folgt für die Praxis: Seien Sie sehr vorsichtig und zurückhaltend bei der Beantwortung von Fragen der Arbeitnehmer, die keinen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen. Dies gilt beispielsweise für spezielle Fragen zur betrieblichen Altersversorgung, zu eventuellen Pfändungen von Arbeitseinkommen zu steuerlichen Fragen oder zu einer privaten Verschuldenssituation von Arbeitnehmern. Sind Sie sich nicht vollständig sicher, dass Ihre Auskunft "richtig, eindeutig und vollständig" ist, schweigen Sie lieber und verweisen den Mitarbeiter auf externe Fachleute (Banken/Agentur für Arbeit/Verbraucherzentralen/Rechtsanwälte usw.).
Selbstverständlich stehen wir Ihnen als Arbeitgeberverband auch für Fragen in diesem Zusammenhang zur Verfügung. Unsere Auskünfte sind richtig, eindeutig und vollständig.