Oldenburg, 06.05.2022. "Wir müssen die Wahrheit rehabilitieren", forderte der Tübinger Medienwissenschaftler Professor Dr. Bernhard Pörksen und verwies auf die Fülle an manipulierten und falschen Nachrichten in den sozialen Medien. Das zeige sich gerade auch jetzt im Ukraine-Krieg und vielleicht bewirke das einen Bewusstseinswandel hin zu mehr Wahrhaftigkeit, so die Hoffnung des Medienexperten am Ende seines Vortrages über "Desinformation und die neue Macht der Lüge im digitalen Zeitalter". Der Arbeitgeberverband Oldenburg hatte am Mittwoch zur Vortragsveranstaltung "Wirtschaft und Politik" in die Weser-Ems-Halle in Oldenburg geladen. Rund 150 Gäste waren gekommen.
Professor Pörksen skizzierte vier Trends, die die Kommunikation im digitalen Zeitalter beeinflussen. Erstens haben die sozialen Medien eine ganz neue Geschwindigkeit in die Kommunikation gebracht. Der Grundkonflikt zwischen Schnelligkeit und journalistischer Genauigkeit wird dadurch verschärft. "Informationen sind schnell, aber Wahrheit braucht Zeit", so Professor Pörksen. Zweitens geht uns in der Flut der Informationen die Gewissheit verloren. Ein Mehr an Informationen mache uns nicht zwangsläufig mündiger. Aber es gebe eine Gewissheitssehnsucht des Menschen, und dazu gehöre eben auch das "Reinfallen auf Falschnachrichten", erklärte Bernhard Pörksen.
Drittens gehe es oftmals nicht mehr um die Relevanz von Nachrichten, sondern darum, von welchem Interesse diese Nachrichten für die Nutzer sind. "Hypes" würden durch umfangreiche Datensammlungen identifiziert und befördert, so Pörksen. "Die Interessantheit schlägt oft die Relevanz", beklagte der Medienexperte. Viertens ist der Manipulation keine Grenze mehr gesetzt. Jeder Autokrat könne sein eigenes Netzwerk gründen und mit Unwahrheiten befüllen. Jeder könne mittlerweile Sender sein. "Wir versinken in der Kloake der Desinformation." Der "Wahrheitsmarkt" werde systematisch dereguliert.
"Wir müssen von einer digitalen zu einer redaktionellen Gesellschaft werden", forderte Professor Pörksen. Journalistische Prinzipien der Genauigkeit der Berichterstattung müssten in dieser neuen Informationsgesellschaft gelten. Medienmündigkeit sei bereits in der Schule zu vermitteln. Gleichzeitig sollte ein "Zwang zur Transparenz" für alle Plattformen gelten.